68 Kriegsnachrichtendienst in den neutralen Ländern
hier mehr ein selbständiger Tätigkeitsdrang aller Offiziere und Beamten
des auswärtigen Dienstes, weniger ein planmäßiger Aufbau, den Frank-
reich hier nicht benötigte, weil ihm die Schweiz als Eingangsland nach
Deutschland und Holland als Ausfragegebiet und Basis für die Spio-
nage in dem Rücken des deutschen Heeres zur Verfügung standen.
Die Vereinigten Staaten überließen die Militärspionage in den nor-
dischen Reichen dem englischen und französischen Nachrichtendienst. Sie
selbst interessierten sich hier fast ausschließlich nur für den Stand der
deutschen Handelsflotte, für die wirtschaftliche Lage Deutschlands und
für die Ernährung und Stimmung des deutschen Volkes. Hierüber fand
ein planmäßiger Nachrichtendienst unter der Leitung der Marineattachés
und der Handelsattachés, auch der Generalkonsulate in Kopenhagen,
Christiania und Stockholm statt. Alle aus Deutschland ausreisenden
Amerikaner und sonstigen Reisenden wurden von diesen Stellen ver-
nommen. Die Entsendung von Agenten aber ist nicht beobachtet worden.
Der russische Nachrichtendienst wurde von den Behörden in Däne-
mark begünstigt, von denen in Schweden im eigenen Interesse bekämpft.
So wurde Kopenhagen das Zentrum für den russischen Nachrichtendienst
gegen Deutschland, die Leitung aber lag vorübergehend in Stockholm.
Getreu dem im Frieden befolgten System arbeitete der russische General-
stab auch im Kriege mit umfangreichen und großen Organisationen.
Deshalb sind nur verhältnismäßig wenige, aber um so ausgedehntere
Unternehmungen dieses Nachrichtendienstes aufgedeckt worden. Die größte
war die deo schon vom Frieden her bekannten Dr. Katz aus Warschau,
der mit Kriegsbeginn sein Hauptquartier in Kopenhagen aufschlug.
Sein Personal bildeten fast ausschließlich polnische Juden, die in War-
schau ausgebildet wurden und gruppenweise nach Kopenhagen geschickt
wurden. Von dort nahmen sie zum Teil ihren Weg mit englischer und
französischer Unterstützung über die Schweiz nach Deutschland, wo
ihnen reichlich spstematisch bestimmte Tätigkeitsgebiete zugewiesen wur-
den. So hatte der Hauptagent Schapiro Ostpreußen, Festenstädt Posen,
Willner Berlin, Silberberg Bromberg, Blauzwirn Breslau zu beob-
achten. Die meisten dieser Hauptagenten kamen nicht zur Tätigkeit.
Sie wurden bald nach Betreten deutschen Bodens festgesetzt. Dies
schreckte die russischen Auftraggeber aber nicht ab von immer neuen
Entsendungen, denen meist das gleiche Schicksal beschieden war. Eine
andere russische Unternehmung verbarg sich unter der dänischen Re-