Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

& 26. Halbsouveräne Staaten. 2. Das völkerrechtliche Protektorat. 107 
  
das politische Motiv der Übernahme des Schutzes eines dritten Staates wie 
immer beschaffen sein, so ist doch allen hier in Frage stehenden Protektorats- 
verhältnissen gemeinsam, daß die Gewährung des Schutzes nur möglich ist 
unter der Voraussetzung eines Einflusses auf die Betätigung des Gemeinwillens 
des Unterstaats nach außen, da kein Staat die Verpflichtung zum Schutze 
eines anderen übernehmen kann, wenn diesem die volle Freiheit zusteht, im 
Verkehr mit auswärtigen Staaten ein politisches Verhalten zu beobachten, 
aus dem für ihn Verwicklungen in Streitfälle und Gefahren für seine Existenz 
entspringen können. Die Protektion führt daher notwendig zu einer Bevor- 
mundung des Unterstaates, indem dessen Handlungsfähigkeit jedenfalls in aus- 
wärtigen Angelegenheiten aufgehoben oder doch mindestens beschränkt wird 
und der Oberstaat den Unterstaat nach außen geradezu vertritt, dessen 
auswärtige Angelegenheiten leitet oder die auswärtige Politik mindestens 
kontrolliert. Für das Maß des Einflusses 1) des Oberstaates auf die Lei- 
tung der auswärtigen (ev. auch der inneren) Angelegenheiten ist der Inhalt 
des Vertrages entscheidend. Die Verträge geben darüber allerdings nicht 
immer vollkommen klaren Aufschluß; so war z. B. in den Verträgen betreffend 
das Protektorat über Krakau und die jonischen Inseln nicht einmal des Ver- 
hältnisses der Unterordnung unter die Oberstaaten gedacht. Tatsächlich be- 
saßen jene Staaten in auswärtigen Angelegenheiten keinerlei Selbständigkeit. 
Die Vertragsbestimmungen über den Umfang der Schutzpflicht beschränken 
sich teilweise auf die allgemeine Erklärung der Übernahme des Schutzes des 
Unterstaates; teilweise ist der Inhalt der Schutzpflicht spezialisiert, bezw. 
diese in einzelnen Richtungen besonders hervorgehoben. Jedenfalls ist der 
Oberstaat verpflichtet, für die Integrität des Unterstaates und seiner Rechte 
gegen Angriffe von außen und innen und für dessen Interessen, soweit sie auf 
dem Boden der auswärtigen Politik in Frage kommen können?), einzutreten. 
Eine selbstverständliche Grenze dieser Pflicht liegt in den Machtmitteln des 
Oberstaates; anderseits ergibt sich aber aus der Schutzpflicht als solcher, daß 
sie nicht bestimmt begrenzt ist, wie dies bei einem bloßen Bündnis der Fall 
sein kann.) Der Schutzpflicht des Oberstaates korrespondiert die Pflicht des 
Unterstaates, die Bedingungen der Leistung des Schutzes zu erfüllen. 
II. Wie jeder Vertrag äußert auch der Protektoratsvertrag nur Wirkungen 
ür die Kontrahenten. Eine Vertretung des Unterstaates im internatio- 
nalen Verkehr kann aber rechtliche Wirkung nur haben, wenn das Protek- 
torat seitens dritter Staaten anerkannt ist; daher erfolgt die Notifikation des 
Protektoratsvertrags an die auswärtigen Mächte. 
III. Bezüglich der internationalen Rechtsstellung der Unterstaaten gehen 
  
1) Daß es nicht im Wesen des Protcktorats liege, dem Oberstaate die ausschließliche 
Leitung der auswärtigen Angelegenheiten des Unterstaates zu vindizieren, betont Heilborn 
a. a. 0. S.42; allerdings ist — wie er ebenda bemerkt — „das Bestreben der Oberstaaten, 
die gesamten auswärtigen Angelegenheiten ihrer Unterstaaten selbst zu leiten, begreiflich und 
charakteristisch.“ 
2) Z. B. bei der Verfolgung von Rechtsansprüchen gegenüber dritten Staaten. 
3) Vgl. Heilborna.a.O. S. 39.
	        
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