Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

$ 28. Die völkerrechtliche Stellung des heiligen Stuhles. 119 
  
einigte der Papst in seiner Person die Stellung als Oberhaupt der katho- 
lischenChristenheitundalssouveräner Fürst. Als weltlicher Herrscher 
war er gleichberechtigtes Völkerrechtssubjekt innerhalb der Staatengemein- 
schaft mit dem Rechte über Krieg und Frieden, dem aktiven und passiven 
Gesandschaftsrecht und dem Recht, Verträge mit anderen Staaten zu schließen. 
Indessen die weltliche Macht des Papstes wurde auf Seite der Kurie niemals 
als ein selbständiger, ausschließlich von Maximen des weltlichen Rechts be- 
herrschter Rechtskreis, sondern als eine wesentliche Bedingung der freien 
und wirksamen Ausübung der geistlichen Macht aufgefaßt. Um deswillen 
erschien der Kirchenstaat als das unveräußerliche Besitztum der 
Kirche und zufolge dieser singulären rechtlichen Bedeutung allen geschicht- 
lichen Veränderungen entrückt, welche im Gefolge internationaler oder natio- 
naler Vorgänge einen Einfluß auf die Integrität jenes Besitztums und den 
Fortbestand der weltlichen Herrschaft des Papstes üben könnten. Die Be- 
tonung der geistlichen Macht mußte umso stärker hervortreten, als die Mittel 
der weltlichen Macht für sich niemals hinreichen konnten, die universelle 
Mission, welche die Kirche den Völkern gegenüber sich vindizierte, zu er- 
füllen. Um deswillen trat die geistliche Macht mit dem weltlichen Recht und 
dem politischen Leben der Staaten in die engste Beziehung, die in verschie- 
denen Epochen sich verschieden gestaltet hatte, bald als harmonisches Zu- 
sanımenwirken der weltlichen und der geistlichen Macht, bald als Kampf um 
die gegenseitige Abgrenzung der Kompetenzen der beiden Gewalten, bis sich 
vornehmlich in der neueren Zeit in der Form des Vergleiches (Konkordate) 
die Lösung des Streites um die beiderseitigen Kompetenzen in den einzelnen 
Staaten vollzog. Die internationale Machtstellung, welche das Papsttum im 
Mittelalter im Kampfe mit der weltlichen Gewalt errungen hatte, konnte selbst 
den katholischen Mächten gegenüber nicht zu durchgreifender Geltung ge- 
langen; die Kirche sah sich veranlaßt, ihre geistlichen Interessen den einzelnen 
Mächten gegenüber durch Zugeständnisse (auch hinsichtlich des jus circa sacra) 
zu sichern. Diesen Abschluß mußte die Entwicklung des gegenseitigen Ver- 
hältnisses der beiden Mächte finden, seitdem die feudale Zersplitterung der 
öffentlichen Gewalt in den christlichen Staaten dem siegreichen Gedanken der 
einheitlichen Gestaltung der Staatsgewalt gewichen war und der Staat sein 
Selbstbestimmungsrecht und damit seine Unabhängigkeit gegenüber jeder an- 
deren Gewalt gewonnen hatte. Danit waren auch die Voraussetzungen ver- 
schwunden, welche in früheren Epochen es möglich machten, daß das Papst- 
tum durch seine Organe (Nuntien, Legaten) seine Doppelstellung gegenüber 
den weltlichen Fürsten zur Geltung bringen konnte. Die Aufgabe dieser 
Organe war nicht so sehr die diplomatische Vertretung des Papstes als welt- 
lichen Souveräns, sondern vielmehr die Geltendmachung jener Rechte gegen- 
über der weltlichen Gewalt, welche vom kirchlichen Standpunkte aus mit der 
behaupteten Oberhoheit der Kirche über die Staaten verknüpft wurden. Miß- 
bräuche in der Geltendmachung dieser Rechte mußten die Haltung der welt- 
lichen Gewalt gegenüber der Kirche beeinflussen und führten vielfach zu 
einem Widerstande, an dem sich selbst der nationale Klerus im Interesse der
	        
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