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rungen der Elemente eines Geweinwesens können dessen Existenz bezw. seine
Fortexistenz als Staat und Völkerrechtssubjekt zum Erlöschen bringen. !) Das
Erlöschen eines politisch geeinigten Volkes?), der Untergang des
Staatsgebietes?) haben selbstverständlich den Untergang des Staates zur
Folge. Es kann aber auch die rechtliche Organisation des staat-
lichen Gemeinwesens in Folge anarchischer Zustände allmählich in sich
zerfallen; der Untergang der staatlichen Hauptorgane hat den
Untergang des Gemeinwesens als Staat und als Völkerrechtssubjekt zur Folge.
Derlei Vorgänge dürften übrigens im Bereich der Kulturstaaten gleichzeitig
die Bedeutung der Angliederung des aufgelösten Gemeinwesens an benach-
barte Staaten haben, sei es, daß der Anschluß freiwillig erfolgt oder die not-
wendig gewordene Intervention anderer Mächte den Anschluß bewirkt.‘ —
Ferner erlischt der Staat infolge des Ausgangs kriegerischer Verwick-
lungen durch reale Verbindung mit dem siegenden Staat; außer dem Falle
kriegerischer Verwicklungen durch freiwilligen Eintritt in die reale
Verbindung mit einem anderen Staat — sei es auf Grund eines selbständigen
Akts (z. B. im Falle des Aussterbens der Dynastie, ohne daß für diesen Fall
durch die Verfassung anderweite Vorsorge getroffen wäre), oder infolge der
verfassungsrechtlich in Aussicht genommenen Sukzession einer fremden Dynastie
mit der Wirkung der Inkorporierung des Geweinwesens (im Gegensatze zur
Begründung einer bloßen Personalunion). — Ferner kann der Untergang eines
Völkerrechtssubjekts dadurch herbeigeführt werden, daß ein Staat in ein der-
artigess Abhängigkeitsverhältnis zu einem anderen Staate tritt, in
welchem ihm die freie Selbstbestimmung im Staatenverkehr entzogen ist. —
Schließlich kann die Bildung eines Bundesstaates für die Gliedstaaten
Modifikationen ihrer Eigenschaft als Völkerrechtssubjekte zur
Folge haben.
$ 32. Sog. Sukzession der Staaten.) I. Unter den Vorgängen, welche
auf die Existenz eines staatlichen Gemeinwesens von Einfluß sind, interessieren
N Grotius, De jure belli et p. II, 9.
2) Durch Aussterben selten; Erlöschen eines politisch geeinigten Volkes in Folge von
Auswanderung oder Vertreibung ist im Bereich der heutigen Kulturvölker wohl unmöglich
Heffter-Geffcken $ 24 und Phillimore, Commentaries I p. 168.
3) Die Möglichkeit des Untergangs des Staatsgebiets wurde in der berühmten Ansprache
Wilhelm’s von Oranien an die holländischen Generalstaaten zum Ausdruck gebracht,
indem er zur Verteidigung des Landes gegen Ludwig XIV. die Durchstechung der Deiche
empfahl und den Holländern das Wiederaufleben ihres Gemeinwesens auf auderem Boden
vor Augen stellte, selbst wenn [nach der Erzählung Macaulay’s, History of England
(Tauchnitz’ Ed.) I p. 215] their natal soil and the marvels with which human industry
bad covered it were buried under the ocean.
4) Revolutionäre Bewegungen mögen zur Auflösung der bestehenden Herrschergewalt
führen -- der Staat selbst bleibt bestehen, so lange es tatsächlich Organe gibt, durch
welche die Staatsperson ihren Willen zu bekunden vermag. Vgl. v. Holtzendorff, HH II
S. 23 (sub 3).
5) Hauptwerk Huber, Die Staatensukzession 11898). — Pfeiffor, Über Kriegseroberung
in Bezug auf Staatskapitalien (1823); Heffter-Geffeken $ 23 (Anm. von Geffeken) $ 25;
v. Holtzendorff, HHII 8. 33ff.; F. v. Martens I S. 276ff., Rıvier, Lehrbuch $ 7;
Ullmann, Völkerrecht. %