8 32. Sog. Sukzession der Staaten. 131
innen und außen rechnen; nach außen, gegenüber anderen Staaten, die mit
dem inkorporierten Staatswesen in rechtlichem Verkehr standen, aus dem
Rechtsverhältnisse zur Entstehung kamen, deren Fortdauer bezw. Untergang
von der Tatsache der Inkorporierung nur dann abhängig ist, wenn deren Be-
stand die Fortdauer der Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Gemein-
wesens oder die Fortexistenz eines bestimmten Trägers der höchsten Gewalt
zur Voraussetzung hat. So erlöschen politische Verträge, Allianzen, welche
der vormals selbständige Staat mit anderen Staaten abgeschlossen hatte, von
selbst mit der Inkorporierung in einem anderen Staat, ebenso Verträge, welche
der depossedierte Souverän für seine Person mit einem anderen Souverän ge-
schlossen hatte.!) Es sind dies übrigens Wirkungen, die auch schon dann
eintreten, wenn das betreffende Gemeinwesen als völkerrechtliches Subjekt
fortbesteht, aber infolge von Umwälzungen in der Organisation der höchsten
Gewalt Veränderungen eingetreten sind, welche die Voraussetzungen des Be-
standes betreffender internationaler Rechtsverhältnisse zerstören.
IL. Die hier in Frage kommenden Rechtsverhältnisse sind teils solche, deren
Fortdauer ungeachtet des Erlöschens der völkerrechtlichen Persönlichkeit nicht
bezweifelt wird, teils solche, bezüglich welcher Meinungsverschiedenheit be-
steht. Zu den ersteren gehören Grenzbestimmungen, Staatsservituten, Ver-
träge über Erhaltung von Verkehrswegen, Wasserstraßen, über Eisenbahn-
anschlüsse u. dgl.2); es handelt sich hier um erworbene Rechte dritter Staaten,
welche den rechtlichen Bestand des inkorporierten Territoriums unmittelbar
berühren ; deren Negierung seitens des Erwerbers würde einen offenbaren Rechts-
bruch bedeuten, denn ein Staat, der im Geltungsbereich des Völkerrechts als Sub-
jekt von Rechten Anerkennung beansprucht, kann ohne Negierung der Grund-
lagen des rechtlichen Verkehrs der Staaten nicht willkürlich Rechte Dritter
ignorieren, die mit Rücksicht auf einen internationalen Tatbestand entstanden
sind. Im Hinblick auf diese Erwägungen, welche mit den Konsequenzen der
Stellung des einzelnen Staates innerhalb der internationalen Gemeinschaft.
zusammenhängen, bedarf es zur Erklärung des Übergangs von Pflichten, die
auf dem inkorporierten Territorium haften, keiner Bezugnahme auf den Be-
griff der privatrechtlichen Universalsukzession. — Außer allem Zweifel steht
auch die Pflicht zur Übernahme der Staatsschulden. So hat z. B. Italien
(1861) die Staatsschulden der annektierten Staaten übernommen; ebenso Preußen
(1866) jene von Kurhessen, Hannover, Nassau und Frankfurt a. M. Der Ein-
tritt des annektierenden Staates in die Herrschaft über das Vermögen des
annektierten Gemeinwesens sichert jenein alle damit verknüpften vermögens-
rechtlichen Vorteile, insbesondere auch den Übergang der von dem annek-
tierten Staate er worbenen Forderungen; er kann aber auf dem Boden des
Völkerrechts nicht anders als in der Art gedacht werden, daß diese Herrschaft
unter gleichzeitiger Anerkennung der vermögensrechtlichen Verpflichtungen
1) Siehe die bei F. v. Martens I S. 273 angeführten Beispiele.
2) So wurden z. B. seitens Preußens die von Hannover mit den Nachbarstaaten
abgeschlossenen Grenzregulierungsverträge, ferner die Verträge über Eisenbahnanschlüsse u. s. w.
als rechtsverbindlich anerkannt.
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