$ 38. Die völkerrechtlichen Personen als Subjekte von Rechten und Pflichten. 143
oder des Kredits!), das Recht der Öeffentlichkeit oder Publizität?),
das Recht auf auswärtigen Verkehr, das Recht der Besitzes- und
Eigentumsfähigkeit?) das Recht der Staatsrepräsentation und das
Recht der Rechtsverfolgung durch Selbstlilfe (Kriegsrecht u. s. w.)
Eine tiefgreifende Bedeutung kommt dieser Theorie für die Gestaltung des
Systems des Völkerrechts und die dogmatische Behandlung der einzelnen
völkerrechtlichen Institute zu. Dies tritt besonders klar z. B. in den beiden
Werken von Rivier hervor, wo die sog. Grundrechte den Mittelpunkt der Ge-
staltung des Systems, der Verteilung des Stoffs und der dogmatischen Auf-
fassung der einzelnen Institute bilden.
III. Der Annahme solcher Grundrechte treten neuestens einige Schriftsteller
auf Grund von Untersuchungen über die Natur des subjektiven Rechts und prin-
zipieller Ablehnung naturrechtlicher Anschauungen entgegen. ‘)
1) Man versteht darunter den Ausdruck der Anerkennung der Rechtlichkeit oder Legi-
timität des Bestehens eines Staates und der Moralität oder sog. Loyalität der Handlungsweise
der Staatsregierung im Völkerverkehr. Diese Anerkennung oder der völkerrechtliche Kredit
beruht nach innen auf der Kultur und Gesittung, sowie auf dem Wohlstand und der Intelligenz
des Volkes, auf seiner Steuerkraft und Wchrkraft, ferner auf der Tüchtigkeit seiner Ver-
fassung und Verwaltung und insbesondere auf der Ordnung seiner Finanzen; nach außen be-
ruht der Kredit eines Staates auf der Rechtlichkeit und Uneigennützigkeit der äußeren Politik
oder des sog. Systems der Regierung, überhaupt in der Gewissenhaftigkeit in Erfüllung der
Staatsverträge und in der kräftigen Handhabung der geschlossenen Bündnisse. Indessen
Handlungen dritter Staaten, welche eine Negierung dieser Eigenschaften eines bestimmten
Staates bekunden, sind als Beleidigungen nicht Verletzungen eines besonderen subjektiven
Rechts, sondern verstoßen gegen den oben zu erörternden Anspruch auf Nichtverletzung der
Person und begründen allemal eine selbständige Obligation zur Genugtuung u.s. w. Vergl.
Heilborn, System S. 299.
2) In dieser Richtung wurde ein Recht behauptet. von dem anderen Staate bei zweifel-
hafter Handlungsweise Erklärungen zu fordern und deren Verweigerung oder ungenügende
Erteilung als Feindseligkeit zu betrachten; auch soll das Recht der Öffentlichkeit das Recht
der freien Äußerung über die inneren und äußeren Zustände anderer Staaten, über das
politische System ihrer Regierung u. s. w. begreifen. Man konstruiert dieses Recht als Recht
der Regierung und der einzelnen Individuen gegenüber dem Auslande und zwar in dem
Maße, als die Gesetzgebung des Inlandes nicht selbst eine Einschränkung enthält. Indessen,
auch bier handelt es sich um die durch keine völkerrechtliche Norm eingeschränkte Be-
tätirung der Freiheit der Staatspersönlichkeit; hat der Gebrauch dieser Freiheit eine Verletzung
der Persönlichkeit des andern Staates zur Folge, so treten die mit Beleidigungen überhaupt
verknüpften Wirkungen ein. In ersterer Bezichung ist zu beachten, daß es keine völker-
rechtlich anerkannten Gründe des Krieges gibt und daß es durchaus Sache der politischen
Erwägungen der von einem unfreundlichen Vorgehen eines anderen Staates betroffenen Re-
gierung ist, ein solches Verhalten als eine schwere Verletzung der Persönlichkeit zu betrachten
und entsprechende Konsequenzen daran zu knüpfen.
3) Man versteht darunter das Recht, ein Staatsgebiet zu besitzen, es in rechtlicher
Weise zu erweitern, neue Gebiete zu erwerben, z. B. durch Kolonisation, ferner das Recht,
sonstiges Vermögen und dingliche Rechte zur Bestreitung der Staatsbedürfnisse zu besitzen;
ıman rechnet hierher auch das Recht der Handelsfreiheit in dem Sinne, daß jeder Staat be-
fugt ist, mit jeder anderen Nation Handel zu treiben, ohne daß ein dritter Staat Einspruch
erheben dürfte.
4) Es sind dies Jellinek und Heilborn. Die geistvolle Arbeit von Pillet, Re-
cherches sur les droits fondamentaux etc, ist allerdings auch eine eingehende Kritik der tra