Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

8 39. Rechtliche Verantwortlichkeit der Staaten. 147 
  
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Ansprüche sind allemal an einen konkreten Tatbestand (Verletzung von In- 
teressen, die den Gegenstand eines absoluten Rechts bilden, Rechtsgeschäfte 
und anderweite rechtlich bedeutsame Tatsachen) gebunden; sie stehen in Be- 
ziehung zu Normen, deren imperative Kraft dem Berechtigten nur gegenüber 
jenem Schutz gewähren soll, der im konkreten Fall an dem rechtlich bedeut- 
samen Vorgange beteiligt ist. Allseitige Anerkennung der Norm ist auch hier 
vorausgesetzt. ') In diesen Fällen ist die Subjektivierung des Rechts und 
Anspruchs einerseits und der Verpflichtung anderseits mit dem tatsächlichen 
Vorgang gegeben; bei den absoluten Ansprüchen vollzieht sich die Subjekti- 
vierung in der Richtung der konkreten Verpflichtung erst durch 
das den Berechtigten beschwerende Verhalten eines bestimmten Subjekts. Der 
absolute Anspruch ist gegen jedes andere Subjekt gerichtet; wird dieser An- 
spruch verletzt, so entsteht aus diesem konkreten Tatbestande gegen den 
Urheber der Verletzung ein obligatorischer Anspruch auf Reparation u. s. w. 2) 
Der Eigenart des Völkerrechts entspricht die eigenartige Gestaltung 
der Geltendmachung von subjektiven Rechten und Interessen. Die damit zu- 
sarmmmenhängende Lehre von dem rechtlichen Verfahren und der Selbsthilfe 
wird am Schlusse (in dem letzten Buche) zur Erörterung kommen. 
$ 39. Rechtliche Verantwortlichkeit der Staaten.°) I. Einseitige 
Betonung und teilweise irrige Auffassung des Wesens und der rechtlichen 
Bedeutung der Souveränetät hat vielfach zur Negierung jeglicher recht- 
lichen Verantwortlichkeit der Staaten im Bereich des Internationalen 
geführt. Dagegen gelangt die richtige Betrachtungsweise, die von der 
Idee und dem praktischen Bestande der internationalen Gemeinschaft 
ausgeht, zur Bejahung der rechtlichen Verantwortlichkeit. Im Bereich des 
oben betonten primären und allgemeinen Rechtsverhältnisses betrachtet sich 
jedes Mitglied der internationalen Gemeinschaft als verpflichtet, die anderen 
nicht zu verletzen; indem aber gleichzeitig jedem Mitgliede der Anspruch zu- 
erkannt wird, von jedem anderen die Unterlassung in der Verletzung zu fordern, 
findet auch die der Unterlassungspflicht korrespondierende rechtliche Ver- 
antwortlichkeit für die Folgen pflichtwidrigen Verhaltens ihre volle Aner- 
kennung. Dem entspricht auch das praktische Verhalten der Mitglieder der 
internationalen Gemeinschaft: sie bekunden dadurch ihr Bewußtsein der 
‘xistenz einer mit dem Bestande der internationalen Gemeinschaftsordnung 
von selbst gegebenen rechtlichen Pflicht, ihr praktisches Verhalten gegenüber 
  
1) Vgl. Heilborn, System 8. 317 ff. 2) Heilborn, System $. 319. 
3) Grotius, Il, c. 21 $ 2 vgl. mit Il, c. 17 $$ 20, 21; Pufendorf, De jure nat. et 
gent. VIIl, e. 6, $12; Bluntschli, $ 74: Heffter-Geffeken 88 101—104: Holtzendorff 
HH II, 70 ff. Gareis $$ 23, 24, 39, 76; v. Liszt $ 24; Eingeliende Untersuchungen über die 
hier einschlägigen Fragen bei Triepel, Völkerrecht und Landesrecht 324 ff.; v. Martitz 
Kultur der Gegenwart 458, 459; Rivier, Principes II, 40, 42; Calvo Ill $$ 12, 61 sq.; 
Bounfils Nr. 324 sq.; Piedelievre I, p. 317 sq.: Clunet, Offenses et faites hostiles 
commis par particuliers contre un &tat Ötranger (187); Wiese, Le dr. intern. appl. aux 
guerres civiles (1898) p. 43 sq; Rougier Les guerre civiles et le dr. des gens (19031 p. 445 sq; 
Hall. 865; Halleck Ip. 440 sq.: Wharton IS21; Oppenheiml, $$ 145 sq. vgl. mit $ 113. 
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