148 Zweites Buch. Die Subjekte des Völkerrechts. $ 39.
den gleichberechtigten Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft im Sinne
der Wahrung der Integrität der letzteren einzurichten — ein Gedankengang,
der seinen notwendigen Abschluß in der Anerkennung der Pflicht zur Wieder-
aufhebung der Folgen der Verletzung und Wiederherstellung der Integrität
der verletzten rechtlichen Persönlichkeit findet.
II. Die rechtliche Verantwortlichkeit der Staaten ist mit verschiedenen
Tatbeständen verknüpft; praktisch betrachtet sind es immer Handlungen
physischer Personen, welche die Vorantwortlichkeit (Haftung) des Staates naclı
sich ziehen. Die Gesamtheit der hier in Frage kommenden Tatbestände läßt.
eine doppelte Gruppierung zu, auf der die Unterscheidung zweier Arten von
Verantwortlichkeit beruht. Es ist nämlich 1. eine unmittelbare Ver-
antwortlichkeit des Staates gegeben, wenn die verletzende Handlung
von dem Oberhaupt des Staates oder anderen den Staat vertretenden
Organen (Minister des Äußern, Gesandte, Konsulen, militärische Befehls-
haber, aber auch Kommunalverbände, soweit sie als Staatsorgane
fungieren '), innerhalb ihrer amtlichen Kompetenz oder von Privatpersonen
die zur Vornahme betreffender Handlungen von dem Staats-
oberhaupt oder anderen Organen beauftragt oder autorisiert
sind, unternommen wurde?) In psychologischer und rechtlicher Beziehung
erscheint in dieser Gruppe von Fällen die Verantwortlichkeit durchaus als
eigene Verantwortlichkeit des Staates selbst, denn die Willensakte der in
Vertretung des Staats handelnden Personen lösen sich gerade um deswillen,
weil sie namens des Staates gesetzt werden, für die rechtliche Betrachtung
und Würdigung ihrer rechtlichen Wirkungen von den handelnden Subjekten
ab und stellen sich als Willensakte des Staates dar, den folgemäßig die volle
Verantwortlichkeit trifft. Da es sich sich aber hier um die Verantwortlichkeit
des Staatsalsjuristischer Persönlichkeit handelt, so kommt die strafrecht-
liche Natur des Verhaltens der Organe nicht weiter in Betracht; das Delikt
des Staats ist niemals Verbrechen im strafrechtlichen Sinne, sondern
repräsentiert eine durchaus eigenartige juristische Erscheinung — das
völkerrechtliche Delikt. An dieses können daher infolge der eigenartigen
Stellung der Staaten innerhalb der internationalen Rechtsordnung nur solche
Wirkungen geknüpft werden, welche das Völkerrecht seiner singulären Natur
gemäß dem in seinen Interessen geschädigten oder gefährdeten Staat zur
Verfügung stellt, nämlich die Anwendbarkeit der Mittel der Selbsthilfe.
Dem gegenüber kommt dem Umstande, daß in Fällen des Vorhandenseius der
Voraussetzungen strafrechtlicher Schuld der Staat als juristische Person
Strafe nicht erleiden kann, nur nebensächliche Bedeutung zu, denn auf dem
Gebiete des Internationalen fehlen die Grundlagen und publizistischen Vor-
aussetzungen des Strafrechts. \Wollte man die Reaktion des verletzten Staats
unter den Gesichtspunkt der Strafe stellen, so könnte dies nur in uneigent-
t) Vgl. Triepel a. a. O. 356 ff.
2) Vgl. Triepel aa. a. ©. 345: „Hier ruht seine (des Staates) Haftpflicht nicht auf
sachlicher, sondern auf persönlicher Grundlage; nicht seine besondere Beziehung zur Tat,
sondern zum Handelnden macht ihn verantwortlich.“