168 Drittes Buch. Die Organe der Völkerrechtssubjekte. $ 45.
ischen Eidgenossenschaft !). Eine eigenartige Konkurrenz bundesstaatlichen
und einzelstaatlichen Gesandtschaftsrechts besteht im Deutschen Reich).
Art. 11 der Reichsverfassung erteilt dem Kaiser als Träger der Repräsen-
tativgewalt des Bundes das Recht „Gesandte zu beglaubigen und zu emp-
fangen“. Den Einzelstaaten ist das aktive und passive Gesandtschaftsrecht
nicht entzogen, dasselbe ist vielmehr in dem Schlußprotokolle zu dem baye-
rischen Bündnisvertrage vom 23. November 1870 (Artt. VIL. u. VII) aus-
drücklich anerkannt. Von diesem Rechte können die Einzelstaaten gegenüber
auswärtigen Staaten und untereinander Gebrauch machen); sie können ins-
besondere auch neben den Reichsgesandten bei betreffenden Höfen ihre eigenen
Gesandten beglaubigen *). Die Reichsgesandten haben nicht bloß die Interessen
des Reiches, sondern auch jene der Einzelstaaten und ihrer Angehörigen zu
vertreten; außer ihrer ausschließlichen Kompetenz haben sie auch eine sub-
sidiäre bezüglich der besonderen Angelegenheiten des betreffenden Einzel-
staates, für deren Besorgung eine Landesgesandtschaft nicht bestellt, oder
wenn letztere aufgehoben oder augenblicklich nicht besetzt ist). Dagegen
steht den Landesgesandten kein Recht der Vertretung der Reichsgesandten
zu; dazu wird die Bevollmächtigung seitens des Kaisers und die Erlaubnis
des Landesherrn erfordert $).
III. Während in den bisher angeführten Fällen eine juristische Grund-
lage für die Beantwortung der Frage, wem die Ausübung des subjektiven
Gesandtschaftsrechts zusteht, in dem Verfassungsrecht betreffender
Staaten gegeben ist, ergeben sich mitunter Schwierigkeiten in Fällen der
Usurpation der Staatsgewalt, ferner dann, wenn ein Land sich im Zustande
des Bürgerkrieges befindet. Wie bezüglich der Frage der Umgestaltung der
mit einem staatlichen Gemeinwesen verknüpften Völkerrechtssubjektivität
bezw. der Entstehung eines neuen Völkerrechtssubjekts in Folge von Staats-
umwälzungen der faktische Zustand die entscheidende Rolle spielt, so ist dies
auch bei der hier behandelten Frage in der Hauptsache der Fall. So lange
der nach Herrschaft bezw. Selbständigkeit ringende Faktor (ein Prätendent,
eine politische Partei, eine Provinz u. s. w.) die Herrschaft der legitimen
Regierung nicht zu beseitigen vermag, steht nur letzterer das Repräsen-
tationsrecht zu. Erst wenn in Folge der Umwälzung neue tatsächliche Herr-
1) Auch hier übten die Einzelstaaten früher (bis 1815) das Gesandtschaftsrecht aus.
2) Vgl. Laband, H 201 ff.; Hänel, Staatsrecht I S. 531ff.; Zorn in den Annalen
des Deutschen Reichs 1882, S. 81ff. u. 409 ff.; vgl. auch v. König, Handbuch des deutschen
Konsularwesens (1888).
3) Diplomatischen Charakter haben auch die nichtpreußischen Bevollmächtigten der
Einzelstaaten zum Bundesrat.
4) Für Preußen ist diese Möglichkeit wegen der Identität der Person des Kaisers und
Königs ausgeschlossen. Laband a. a. O. 5) Vgl. Laband.a. a. O. $. 201 ff.
6) In dem oben angeführten bayerischen Schlußprotokoll ist die Vertretung der
Reichsgesandten in Fällen der Verhinderung durch den bayerischen Gesandten an dem
betreffenden Hofe auf Grund kaiserlicher Vollmacht und der Zustimmung des Königs von
Bavern in Aussicht genommen.