Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

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184 Drittes Buch. Die Organe der Völkerrechtssubjekte. 
  
Im Einzelnen kommt folgendes in Betracht: 
a) Die Quartierfreiheit. Sie besteht nach heutigem Recht darin, 
daß kein Organ des Empfangsstaates, insbesondere kein Polizeibeamter, Finanz- 
beamter und Gerichtsbeamter in das Gesandtschaftshotel eindringen und ohne 
Einwilligung des Gesandten daselbst Amtshandlungen (Haussuchung, 
Zustellung von Vorladungen, zollamtliche Durchsuchungen) vornehmen kann. 
Nach heutiger Auffassung der Grenzen der Quartierfreiheit ist die Ausübung 
eines Asylrechts zu Gunsten flüchtiger Verbrecher ausgeschlossen !J, Befindet 
sich ein flüchtiger Verbrecher in dem Gesandtschaftshotel, so kann allerdings 
die Ergreifung nicht stattfinden, wenn der Gesandte nicht freiwillig die Ver- 
haftung gestattet oder die Auslieferung bewirkt?). In derlei Fällen haben 
sich die Lokalbehörden darauf zu beschränken, das Hotel zu umstellen und 
das Entweichen des Flüchtigen zu verhindern 3). Die Regierung des Empfangs- 
staates kann sich bei jener des Gesandten über den Mißbrauch seines Privilegs 
beschweren und die geeignete Ahndung seines Vorgehens verlangen. — Auch 
der Wagen des Gesandten darf nicht zum Asyl dienen. — Da das Gesandt- 
schaftshotel nicht als fremdes Territorium gilt, so sind strafbare Handlungen, 
welche daselbst von nicht eximierten Personen begangen werden, nach den 
Gesetzen des Empfangsstaates zu beurteilen‘). — Das Gesandtschaftshotel ist 
frei von Militäreinquartierung und der an deren Stelle tretenden Taxe. 
b) Exemtion von der Strafgerichtsbarkeit des Empfangs- 
staates:). Durch völkerrechtliche Uebung, in Landesgesetzen und in der 
gerichtlichen Praxis ist der Grundsatz anerkannt, daß sich die Strafgerichts- 
barkeit des Empfangsstaates nicht auf fremde Gesandte erstreckt. Hat der 
Gesandte eine strafbare Handlung begangen, so wendet sich die Regierung 
des Empfangsstaates an jene des Absendestaates mit dem Ersuchen um Ab- 
berufung des Gesandten und eventuelle Bestrafung. Politische Verbrechen 
des Gesandten gegen den Empfangsstaat rechtfertigen nicht bloß Vorsichts- 
maßregeln, sondern auch die Festnahme der Person und Auslieferung an den 
  
1) Mit dem Asylrecht ist auch die früher üblich gewesene Erteilung von Schutz- 
briefen (lettres de protection) verschwunden. Vgl. Hartmann S. 107. Hübler, Magi- 
straturen 92 ff. 
2) Art. 9 des Lehrschen Entwurfs (Annuaire XII p. 270, 271) im Gegensatz zu dem 
ersten Entwurf (Annuaire XI p. 397). Ebenso hält F. v. MartenslIlI S.48 das gewaltsame 
Eindringen in das Hotel für zulässig; auch Rivier Lehrb. $ 38. Siche dagegen neuestens 
im Sinne des cit. Art. 9 des Lehrschen Entwurfs Despagnet, Cours p. 227. 
8) Es ist in Fällen strafgerichtlicher Verfolgung davon auszugehen, daß eigent- 
lich die Zustimmung seitens des Gesandten nicht verweigert werden darf. Ausnahmen dürften 
im Falle eines Bürgerkrieges eintreten. Vgl. Hübler, Magistraturen 93. 
4) Die Flucht von Nationalen in das Gesandtschaftshotel bedeutet niemals Rückkehr 
in das Heimatland. Todesfälle, Geburten, Eheschließungen sind nicht als im Absendestaat ge- 
schehen anzusehen. — Über die Bedeutung der obligatorischen Eintragung in die Konsulats- 
ınatrikel in den deutschen Kousularbezirken des Orients für die Unterbrechung der Ver- 
jährung der deutschen Staatsangehörigkeit s. $ 21 des Reichsges. v. 1. Juni 1870. 
5) Bynkershock, De foro legatorum (1721); Geffcken, HH 111 S. 654ff.; F. 
v. Martens II S. 4$ff.; Rivier, Lehrb. & 88.
	        
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