Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

204 Drittes Buch. Die Organe der Völkerrechtssubjckte. g 55. 
  
Interessen umsoweniger verständlich ist, als die mangelhafte Vertretung dieser 
Interessen im Auslande die empfindlichste Wirkung auf das nationale Wirt- 
schaftsleben übt; die nationale Wirtschaft der Kulturstaaten existiert und ge- 
deiht heute nicht mehr als isolierter Organismus — sie kann nurmehr als 
organischer Bestandteil der Weltwirtschaft gedeihen. Daß die Vertretung der 
hier in Frage stehenden Interessen durch sog. Wahlkonsulen nur eine unge- 
nügende sein kann, wird heute kaum mehr ernstlich bestritten werden können. 
Die Wahlkonsulen !) sind Privatpersonen, zumeist Kaufleute und Untertanen 
des Staates, in dessen Gebiete sie die Handelsinteressen eines fremden Staates 
vertreten und eine Reihe anderer Aufgaben zu erfüllen haben. Abgesehen 
davon, daß die Verbindung der konsularen Funktionen mit den Angelegenheiten 
eines vielbeschäftigten Kaufmanns oder Industriellen eine ungewöhnliche Ar- 
beitskraft voraussetzt, leidet diese Kumulierung von Geschäften an einem 
offenbaren inneren Widerspruch. So gewiß es unter den Wahlkonsulen Per- 
sönlichkeiten gegeben hat und heute noch gibt, die dem Staate, dessen Inter- 
essen sie zu vertreten haben, wertvolle Dienste in handelspolitischen Fragen usw. 
geleistet haben, so läßt sich doch nicht leugnen, daß dies im Hinblick auf die 
Gesamterfahrungen, die mit diesem Institute gemacht worden sind, eben nur 
Ausnahmen sind. In der Regel ist die kaufmännische oder industrielle Aus- 
bildung und Routine einer Persönlichkeit keine Gewähr für den Besitz jener 
fachmännischen Bildung, welche die sichere und verläßliche Arsübung der 
Konsularfunktionen notwendig voraussetzt. Jener Widerspruch steigert sich 
aber, wenn wir die durchaus nicht seltenen Fälle in Betracht ziehen, in denen 
die offiziellen Interessen mit den privaten kollidieren 2). Eine Gefährdung der 
Interessen des ernennenden Staates ist hier nicht ausgeschlossen, sei es, daß 
ihm wichtige Tatsachen, Konjunkturen usw. verschwiegen oder positive Mit- 
teilungen gemacht werden, die von den Anschauungen des Konsuls über die 
eventuelle Gefahr für seine privaten Interessen beeinflußt sind. Eine Anomalie 
und Quelle von Pflichtenkollisionen liegt namentlich dann vor, wenn der Wahl- 
konsul Untertan des Staates ist, in dessen Gebiet er die Konsularfunktion aus- 
zuüben berufen ist. Nicht selten erfordern es die Umstände des einzelnen 
Falls, daß der Konsul gegenüber den Lokalbehörden seiner amtlichen Auto- 
rität Geltung zu verschaffen hat, er also ungeachtet seiner Stellung als Untertan 
fremde Interessen gegen seinen Heimatsstaat vertreten soll. Selbst in jenen 
Fällen, in welchen er der übernommenen Aufgabe gerecht werden wollte, 
  
1) Vgl. für das Folgende die Denkschrift von Engelhardt (Annuaire XI p. 348 sq.). 
2) Charakteristisch ist die Äußerung der im Jahre 1S76 in Paris einberufenen außer- 
parlamentarischen Enquötekommission, an der Vertreter des Großhandels und der Diplo- 
matie teilgenommen haben. Nach den Mitteilungen von Engelhardt (Annuaire XI p. 351) 
heißt es in den Verhandlungen der Kommission: „Si l’on peut ätre assur6 de la capacitö 
d’un n€gociant dans la branche de commerce qu’il exploite, elle est, au contraire contestable 
sur toutes les matidres si nombreuscs qui rentrent dans la sphäre du consulat. On peut m&me 
penser qu’en ce qui concerne les questions que les consuls ad honorem sont particuliörement 
aptes & traiter, c’est-A-dire celles qui touchent & leur propre commerce, on ne trouve pas 
toujours chez eux une entiere impartialit6 et il est vraisemblable qu’ils n’emploiront pas vo- 
lontiers & eux-mämes des concurrents.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.