& 56. Grundlagen des geltenden Konsularrechtes. 209
Stellung der Konsulen und diplomatischen Agenten verschiedener Meinung
sein; allein im ganzen und großen wird man doch von der Erwägung aus-
zugehen haben, daß auch den Berufskonsulen ein gewisses Minimum von
Immunitäten und Exemtionen als Bedingungen freier und wirksamer Ausübung
ihres Dienstes zukommen müsse, in denen ihre eigenartige Stellung als
Vertreter ihres Staates gegenüber dem Auslande zu völkerrechtlich an-
erkannter Geltung kommt!)., Wie sehr die Berufskonsulen der Neuzeit tat-
sächlich in mannigfachen Richtungen zu wirklicher Vertretung ihres Staates
berufen sind, zeigt ein Blick auf die in Konsularverträgen und Konsular-
gesetzen geregelte Kompetenz dieser Organe. Zu der traditionellen Aufgabe
des Schutzes des Handels und der Handel treibenden Angehörigen des Ab-
sendestaates, dem Schutze der Staatsangehörigen des letzteren überhaupt, der
schiedsrichterlichen und richterlichen Tätigkeit, der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
den Funktionen der Konsulen als Standesbeamten, der polizeilichen und ver-
waltenden Tätigkeit tritt eine Reihe von Funktionen, deren Bedeutung für
die Gesamtinteressen des Staates im Vordergrunde steht, so die Fürsorge
für die sichere Vollziehung der Handelsverträge, die Verfolgung von Ver-
letzungen des Völkerrechts, die eminent politische Wirksamkeit in den in
anderen Weltteilen befindlichen Schutzgebieten und inkorporierten Gebieten,
die teils staatsrechtlichen, teils völkerrechtlichen Charakter hat.
$ 56. Grundlagen des geltenden Konsularrechts.2) Das Konsularrecht
umfaßt die Rechtssätze, welche die rechtliche Stellung, die Befugnisse und Pflichten
der Konsulen normieren. Quellen dieser Rechtssätze sind Gesetze (Konsular-
gesetze), Verordnungen (Reglements, Instruktionen) und die Gewohnheit.3) Die
1) Vgl. Engelhardt, Annuaire XI p. 354 sq.,, XIII p. 183 sq. Die inneren Gründe
der Assimilierung beider Kategorien von Repräsentanten bringt Engelhardt in zutreffendster
Weise in folgenden Worten (a. a. O. XI S. 363, 364) zum Ausdruck: „Ainsi se reve&le, im-
manente et neccssaire, la solidarit€ professionelle, qui unit les organcs ext@rieures des in-
terets Economiyues et politiques d’un 6tat. Persister dans les prejuges anciens et dans le
maintien des institutions surannes qui divisent encore les diplomates et les consuls, traiter
les uns et les autres comme s’ils proc&daient dans des sphüres independantes, c’est aller & l’en-
contre des donnes les plus claires de l’experience, c’est meconnaitre, dans leurs manifestations
pour ainsi dire quotıdiennes, les besoins les plus imperieux des teımps modernes.“
2) v. Bulmerincq, HH Il S. 709; Rivier, Lehrb. $ 41.
3) Über die Quellen des deutschen Konsularrechts siehe im allgemeinen Zorn, Die
Konsulargesetzgebung des deutschen Reichs (2. A. 1901); Derselbe in Annalen des deutschen
Reichs 1882, S. 409 ff.; Derselbe in v. Stengel’s Wörterbuch des deutschen Verwaltungs-
recht s. v. „Konsuln“; Hänel und lLesse, Die Gesetzgebung des deutschen Reichs über
Konsularwesen und Seeschiffahrt (1575); v. König, Handbuch des deutschen Konsularwesens
(4. Aufl.) 1888; Gareis $ 42; Brauer, Die deutschen Justizgesetze in ihrer Anwendung
auf die amtliche Tätigkeit der Konsuln u. dipl. Agenten u. d. Kons.-Gerichtsbarkeit (1579);
Laband, H 205 ff.; Hänel, Staatsrecht S. 31 ff. — Deutsche Reichverfassung Art. 4 2. 7,
Art. 56; Konsulatsgesetz vom 8. November 1867; dazu die Dienstinstruktion vom 6.
Juni 1671 und Nachtragsinstruktion vom 22. Februar 1873; Gesetz, betreffend Eheschließungen
und Beurkundung des Personenstands im Auslande vom 4. Mai 1570; dazu Instruktion vom
1. März 1871 und 11. Dezember 1885; Seemannsordnung vom 2. Juni 1902; Gesetz,
betreffeud die Konsulargerichtsbarkeit vom 10. Juli 1879 bezw. 10. April 1900; eine aus-
führliche Dienstinstruktion v. 6, Juni 1871, neu erläutert unterm 22. Febr. 1573. Andere
Ullmann, Völkerrecht. 14