862. Rechte und Privilegien der Konsulen. 223
2. Im Interesse möglichst unbehinderter Ausübung des Amtes wird den
Konsulen vielfach die Befreiung von der Pflicht, als Zeuge vor Ge-
richt zu erscheinen, zugestanden. Man begnügt sich entweder mit einer
schriftlichen Aussage, oder der Richter nimmt die Vernehmung des Konsuls in
dessen Amtswohnung vor!).
3. Eine notwendige Bedingung der freien Ausübung des Konsularamtes
ist die Unverletzbarkeit des Konsüulats-Archivs. Dieses darf weder
polizeilich durchsucht, noch gerichtlich mit Beschlag belegt werden. Im ein-
zelnen Falle können sich Schwierigkeiten ergeben, wenn die amtlichen Schrift-
stücke von den Privatpapieren des Konsuls nicht gesondert verwahrt sind.
Mehrfach ist die Befreiung der amtlichen Schriftstücke in den Verträgen aus-
drücklich stipuliert und seit 1862 den Konsulen die Verpflichtung auferlegt, die
amtlichen Schriftstücke gesondert zu verwahren). — In einzelnen Verträgen
sind auch die Amtslokalitäten des Konsulats für unverletzlich erklärt; dagegen
dürfen sie nicht als Asylorte verwendet werden?).
4. Die Konsulen, welche Angehörige des ernennenden Staates sind, ge-
nießen Militär- und Einquartierungsfreiheit; sie sind von allen di-
rekten und persönlichen, Mobiliar- und Luxussteuern (Staats- und
Kommunalsteuern) befreit. Bezüglich ihres Immobiliarbesitzes und des etwa
betriebenen Handelsunternehmens unterliegen sie wie jeder andere Ausländer
der Steuerpflicht.
5. Den Konsulen ist es gestattet, an ihrer Amtswohnung das Wappen
des ernennenden Staates mit einer das Konsulat bezeichnenden Inschrift und
bei feierlichen Anlässen die Nationalflagge an dem Amtsgebäude und in
den Häfen auf dem Konsulatsboote anzubringen.
Die Immunitäten, Exemtionen usw. werden in einzelnen Verträgen den
beiderseitigen Generalkonsulen, Konsulen, Vizekonsulen und Konsularagenten !)
ferner den Kanzlern und sonstigen Konsularbeamten eingeräumt, wenn sie
Angehörige des ernennenden Staates sind). Fehlen vertragsmäßige
Bestimmungen, so sind die hier in Frage stehenden Rechte usw. nicht auf
Konsulareleven, Kanzler, Sekretäre auszudehnen. — Dem interimistischen Kon-
sulatsverweser kommen diese Rechte für die Dauer seiner leitenden Amts-
tätigkeit in dem für die freie Ausübung des Amtes erforderlichen Maße zu®).
1) Diesen Vorgang empfiehlt das Reglement Art. 1 Abs. 1 als Regel. Ist ausnahms-
weise das persönliche Erscheinen oder eine Konfrontation mit dem Angeklagten notwendig,
so soll im Falle der Weigerung des Konsuls., bei Gericht zu erscheinen, der diplomatische
Weg beschritten werden (Art. 8 Abs. 2). Annuaire XV p. 305.
2) Der Grundsatz wurde in der Praxis mehrfach verletzt. Über die Verletzung des
französischen Konsulatsarchivs in Florenz im Jahre 18885 vgl. NRG (2. Ser.) XVI, 698, 739,
R XX p. 229sq. (Gabba) und 405sq. (Engelhardt). — Auf die Unverletzbarkeit des
Archivs beziehen sich die Art. 9 bis 11 des Reglements der Konsularimmunitäten. Annuaire
XV p. 306.
3) Art. 9 Abs. 3 des Reglements der Konsularimmunitäten verflichtet die Konsulen zur
unbedingten Auslieferung von Individuen, die in das Konsulat geflüchtet sind.
4) Art. 19 des deutsch-italienischen Vertrages von 1568.
5) Z. B. deutsch-japanischer Konsularvertrag vom 4. April 1896. Art. III,
Abs. 7. 6) Vgl. Rivier, Lehrb. S.$ 28.