Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

8 04. Die Konsulargerichtsbarkeit. 225 
  
  
  
der Angehörigen des Absendestaates oder wegen Forderungen an diese 
letzteren (und in Fällen des Bankerotts) darf die Territorialgewalt gegen die 
Person des Konsuls keinerlei Gewaltmaßregeln vornehmen. — Die Immunität 
erstreckt sich auf die Familie des Konsuls, das offizielle Personal des 
Konsulats und die Dienerschaft; sie umfaßt Zivil- und Strafsachen. 
2. Die Konsulen, Vizekonsulen, Dolmetscher und andere im Dienste des 
Konsulats stehende Personen sind von der Zahlung jedes Tributs, aller 
direkten und indirekten Steuern und persönlichen Auflagen befreit. 
3. Das Konsulatsgebäude ist unverletzbar1); den Lokalbehörden 
ist die Ausübung von Jurisdiktionsakten in dem Konsulatsgebäude untersagt. 
In einigen Plätzen ist den Konsulen ein eigenes Quartier eingeräumt, welches 
erhöhten Schutz genießt. Zu ihrem persönlichen Schutz und zum Schutz des 
Konsulatsgebäudes, auch wohl zur Erhöhung des äußeren Ansehens dürfen die 
Konsulen sich einer eigenen Wache bedienen, die vom Empfangsstaat bei- 
gestellt, aber auf Kosten des Konsulats erhalten wird. 
4. Die Konsulen haben das Recht der freien Religionsübung im 
Konsulatsgebäude; sie dürfen daselbst eine Kapelle einrichten und den Gottes- 
dienst durch Geistliche ihrer Nationalität besorgen lassen. 
5. Auf Grund unvordenklicher Gewohnheit genießen die Konsulen gewisse 
Ehrenrechte. In neuerer Zeit wollte die Pforte eine Einschränkung dieser 
Privilegien eintreten lassen. Ein Protest der Mächte (in den Kollektivnoten 
v. 28. Dez. 1881 und v. 25. Febr. 1882) verwies jedoch die Pforte auf vor- 
läufige Verständigung mit den beteiligten Staaten. 
Nach einzelnen Verträgen und Gewohnheiten kommen in einigen (e- 
bieten noch andere, für die Stellung der Konsulen jedoch nicht in gleichem 
Maße bedeutsame Befugnisse u. s. w. in Betracht. 
$ 64. Die Konsulargerichtsbarkeit?).. Das bedeutendste Recht der 
europäischen Konsulen in nichtchristlichen Ländern ist die eigene Gerichts- 
barkeit in Zivil- und Strafsachen, deren Ausübung nach den Gesetzen ihres 
Heimatsstaates erfolgt. So sehr heute noch die Gründe bestehen, welche die 
Ausbildung und Entwickelung dieses Rechts eigener Gerichtsgewalt in fremden 
Staatsgebieten rechtfertigen mögen, so darf doch nicht der anomale Charakter 
dieser Erscheinung aus dem Auge verloren werden, der in der neueren Zeit 
um so stärker hervortritt, als jener Staat, in dessen Gebiet sich die europäische 
Konsulargerichtsbarkeit zuerst ausgebildet hat — die Türkei —, inzwischen 
in die Gemeinschaft der Träger des europäischen Völkerrechts (durch den 
  
}) In Zusammenhang mit der Unverletzbarkeit des Konsulatsgebäudes wird auch viel- 
fach ein Asylrecht behauptet. So neuestens von Pi@delievre, Precis I p. 554. — Vgl. über 
diese Frage v. Bulmerinceqg, HH II 8. 725ff. 
2) Vgl. insbesondere das schon oben zitierte Hauptwerk von F. v. Martens, Das 
Konsularwesen usw. — Ferner Pradier-Fodöre, Trait& IV $$ 2123 sq.; Feraud-Giraud, 
Les justices mixtes dans les pays hors chretiente. — Ferner Desselben Trait6 de la 
jurisdietion francaise dans les Echelles du Levant; De Clereq et de Vallatl. c. Il, 
p. 368sq.; Engelhardt, La Turquie et le Tanzimat; neuestens Pi&delitvre, Preeis I 
p. 531 8q. 
Ullmann, Völkerrecht. 15
	        
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