252 Viertes Buch. Mittel des rechtlichen Verkehrs der Völkerrechtssubjekte. $ 74.
die hier den Willen der Kontrahenten konstant zu bestimmen geeignet ist und
in den Grenzen des Vertragsrechts hält. Diese mit der Existenz des Völker-
rechts und der Anerkennung der internationalen Gemeinschaft heute so wirksam
in die Wagschale fallenden Motive der Beobachtung von Treue und Glauben
im Staatenverkehr fehlten natürlich in der Zeit vor der Existenz einer Wirk-
samkeit des Völkerrechts; indessen war doch auch jenen Epochen die Heiligkeit
der Verträge unter Staaten nicht fremd; nur wirkten im Gegensatze zur Nen-
zeit (außer dem zu allen Zeiten wirksamen Utilitätsstandpunkt) vornehmlich
religiöse und allgemein ethische Motive im Sinne unabweisbarer Anerkennung
der Pflicht zur Erfüllung von Staatsverträgen. !)
IV. Verkehr pflegende Staaten können die Vertragsform zur Regelung
alles dessen verwenden, was für den Staat von Interesse ist. Nicht der Inhalt
bestimmt die Qualität eines Vertrages als Staatenvertrag; es ist
lediglich die Tatsache entscheidend, daß die Staaten als solche Kontrahenten
sind.2) Es gehören daher nicht hierher Verträge zwischen dem Staat (ins-
besondere als Fiskus) und Privaten (einzelnen Privatpersonen, Privatgesell-
schaften, z. B. Eisenbahngesellschaften), ja selbst mit Fürsten und fürstlichen
Häusern.?) Die rechtliche Natur der Konkordate, d. h. Verträge, die
„zwischen einer weltlichen Landesregierung und dem Papst, als kirchlichem
Oberhaupt der katholischen Staatsangehörigen, über Angelegenheiten von
gemeinsamem Interesse abgeschlossen werden“ #) ist streitig. Den Charakter
von Staatsverträgen kann man den Konkordaten nur dann vindizieren,
wenn das Oberhaupt der katholischen Kirche in seiner heutigen Stellung
1) Vgl. auch Oppenheim ]J, $ 491.
2) In diesem Sinne fassen den Staatenvertrag von ncueren Schriftstellern insbesondere
Laband, H.S. 112 („Willensakte des Staates, gleichviel worin ihr Inhalt besteht... .*):
F. v. Martens I S. 405 („Gegenstand internationaler Obligationen kann überhaupt alles
sein, was irgend in den Bereich der internationalen Beziehungen und Unternehmungen ge-
hört“); Zorn, Staatsrecht II S. 420; Störk in v. Stengel’s Wörterbuch des deutschen
Verwaltungsrechts 8. v. „Staatsverträge („Was einen Vertrag zum Staatsvertrag stempelt, ist
eben nicht die Natur des Objekts, sondern lediglich die Beschaffenheit der daran beteiligten
Subjekte“); Rivier, Lehrb. $ 47; Pradier-Fod@r6, Trait& IV $ 595; Despagnet. Cours
p. 470; neuestens eingehend Nippolda.a. 0. S. 1$51ff. gegen auderweite Ansichten von
Gareis & 72 (wo der Inhalt der völkerrechtlichen Verträge auf eine Einschränkung, Aus-
dehnung oder sonstige Modifikation von Hoheitsrechten der Staaten beschränkt wird):
Tinsch a. a. ©. S. 3 (wo eine gewisse Qualität der Kontrahenten und des Inhalts erfordert
wird); Seligmanu a. a O.S. 6. Vgl. auch Zorn Staatsrecht I, 495ff.; A. Zorn, Völkerr.
1409: Völkerr. V. sind Vereinbarungen zwischen Staaten über Staatshoheitsrechte jeder Art.
3) Vgl. hierüber insbesondere im allgemeinen und mit Bezug auf Art. 48 der preuß.
VU Ernst Meier a. a. O. S. 5iff. Unter den Präzedenzfällen werden hier hervorgehoben
Eisenbahnverträge mit Privatbalınen, der Postvertrag mit Thurn und Taxis vom 28. Januar
1567, die finanziellen Abfindungsverträge mit den Depossedierten des Jahres 1866 und mit
der Stadt Frankfurt a. M., der Ankauf des Dienstgebäudes für das Marineministerium, der
Verkauf von Eisenbahnen, Festungsgrundstücken und sonstigem Reichseigentum, der Pacht-
vertrag zwischen der Generaldirektion der Eisenbahnen für Elaaß-Lothringen und der Societe
anonyme des chemins de fer de la Lorraine.
4) Hübler in v. Stengel’s Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrecht s. v. „Kon-
kordate“. Ilier ist die Frage eingehend erörtert und die Literatur angegeben.