Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

8 78. 4. Die Ratifikation der Verträge. 265 
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gebracht hat. So bedurfte es z. B. beim Abschluß des Garantie-Vertrags von 
Casr-Said vom 12. Mai 1881 zwischen Frankreich und Tunis nur der 
Ratifikation seitens Frankreichs, da dieser Vertag vom Bey von Tunis selbst 
abgeschlossen worden war !). Den Gegensatz zu der hier vertretenen Ansicht 
bildet eine andere, welche die Ratifikation im Hinblick auf die konstante und 
gleichförmige Staatenübung, ferner aus Gründen der Zweckmäßigkeit (Bedürfnis 
nach einer Überprüfung des Gesamteffekts des Vertrages für die Staatsinter- 
essen im ganzen, die in der Zwischenzeit eine Veränderung erfahren konnten) 
und des Verfassungsrechts (Rücksicht auf gewisse verfassungsrechtliche Voraus- 
setzungen des gültigen Vertragsabschlusses mit Rücksicht auf den konkreten 
Vertragsgegenstand), aber nicht für dogmatisch notwendig hält. 2) 
II. In den hier zunächst in Betracht gezogenen Regelfällen, in denen 
die Bevollmächtigten in den Grenzen ihrer Vollmachten und nach Maßgabe 
ihrer Instruktionen die Verhandlungen geführt haben, wird auch regelmäßig 
die Ratifikation erteilt. Allein da auch in diesen Fällen der Staatsvertrag 
erst mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden perfekt wird 3), so ist die 
rechtliche Möglichkeit der Verweigerung der Ratifikation auch hier nicht 
ausgeschlossen und keineswegs auf Fälle zu beschränken, in denen der Bevoll- 
mächtigte gegen seine Instruktion gehandelt hat, bezw. die Verweigerung der 
Ratifikation anerkanntermaßen statthaft oder gar geboten ist. Die ältere An- 
schauung (Grotius, Pufendorf), welche im Anschluß an die privatrechtlichen 
Bestimmungen über das Mandat in jenen Regelfällen eine Verweigerung der 
Ratifikation, wenn sie nicht ausdrücklich vorbehalten wurde, für unstatthaft 
erklärt *), ist unvereinbar mit der Selbständigkeit der für die rechtliche Be- 
urteilung von Staatsverträgen maßgebenden Grundsätze, nach denen die Ana- 
logie des Privatrechts hier zu vermeiden ist. Immerhin mag man eine durch- 
aus unbegründete oder nicht stichhaltig begründete Verweigerung der Ratifi- 
kation als moralisch verwerfliches Vorgehen erklären; ein solches Vorgehen 
mag auch politisch bedenklich erscheinen und das Ansehen des Staates unter- 
graben; vom rechtlichen Standpunkte ist es unanfechtbar >). 
Ill. Die Gründe, welche den Souverän veranlassen können, die Ratifikation 
zu verweigern bezw. deren Verweigerung notwendig erscheinen lassen, liegen 
1) Bonfils Nr. 824. 
2) So neuestens Oppenheim I $ 510. 511, der zur Begründung seines Standpunkts 
u. a. sich darauf beruft, daß ein Vertrag nicht bloß in einzelnen Teilen ratifiziert werden 
kann, ferner durch die Ratifikation keine Änderung des Inhalts des Vertragsentwurfes her- 
beigeführt werden kann, daß cs auch eine durch Ausführung des Vertragsinhalts sich still- 
schweigend vollzichende Ratifikation gibt und die Ratifikation rückwirkende Kraft hat. 
3) A. M. noch Hartmann S. 130, der für den Fall, daß die Ratifikation nicht vor- 
behalten und den Instruktionen gemäß ein Vertrag abgeschlossen ist, die Ratifikation zur 
Perfektion nicht für erforderlich hält Im Hinblick auf die Praxis gibt aber auch Hart- 
mann zu, daß man auch in diesem Falle vor erfolgter Ratifikation auf die Rechtsverbind- 
lichkeit des Vertrages nicht rechnet. 
4) Ebenso Bynkershock, Quaest. jur. publ. Cap. VII; Vattel, Droit des gens, Liv. 
II $ 156; vgl. F. v. Martens, Einleitung in das positive europäische Völkerrecht $ 42. 
5) Ähnliche Erwägungen können mitunter auch in Fällen der Verweigerung der Sank- 
tion eines von den Kammern votierten Gesetzes in Betracht kommen. 
 
	        
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