Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

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4. Die Ratifikation der Verträge. 267 
  
habern außer der Vollmacht zum Abschluß von Kartellen während des Krieges 
auch das Recht eingeräumt, einen Präliminarfrieden abzuschließen und die vor- 
läufigen Friedensbedingungen in Ausführung zu bringen, ohne daß die Rati- 
fikation seitens des Souveräns abzuwarten wäre. — Zuweilen kommt eine 
Delegierung der Ratifikationsbefugnis an hohe Staatsbeamte vor, die in ent- 
fernten Provinzen oder Kolonien ihr Amt verwalten. Eine solche Delegation ist 
dem englischen Vizekönig in Indien, ferner dem russischen Generalgouverneur 
in Turkestan in ihren Bezieliungen zu asiatischen Staaten erteilt worden. !) 
V. Was die Form der Ratifikation betrifft, so wird folgendermaßen 
vorgegangen: Die Ratifikationsurkunde wird in so vielen Exemplaren aus- 
gefertigt, als es Kontrahenten gibt; nach richtiger Praxis soll sie den ganzen 
Text des Vertrages vollständig enthalten; zuweilen wird nur der Anfang und 
das Ende aufgenommen, mit den Namen der Unterzeichner. Nachdem die 
Kontrahenten den Vertrag genehmigt haben, werden die Ratifikationsurkunden 
ausgetauscht. Dies geschieht gewöhnlich auf dem Ministerium des Äußern 
desjenigen Staates, bei welchem der Vertrag unterzeichnet wurde. Bie Bevoll- 
mächtigten legen die Ratifikationsurkunden vor; nachdem die Kollationierung 
stattgefunden hat, wird über den ganzen Vorgang ein Protokoll aufgenommen. 
Die Notwendigkeit der Kontrasignatur der Ratifikationsurkunde durch den 
verantwortlichen Minister des Äußern entspricht dem völkerrechtlichen Gebrauch 
und dem konstitutionellen Staatsrecht.2) Ein vereinfachtes Verfahren. 
das in neuerer Zeit in Übung gekommen ist, besteht in der Hinterlegung 
der Ratifikationserklärung beim Ministerium der Macht, in deren Gebiet die 
Verhandlungen stattgefuuden haben. Das vereinfachte Verfahren kommt z. B. 
in der Kongoakte Artikel 38 folgendermaßen zum Ausdruck: „Jede Macht 
wird ihre Ratifikation der Regierung des deutschen Reiches 
zugehen lassen, durch deren Vermittlung allen anderen Signatarmächten 
der gegenwärtigen Generalakte davon Kenntnis gegeben werden wird. Die 
Ratifikationen aller Mächte bleiben in den Archiven der Regierung 
des deutschen Reiches aufbewahrt. Wenn alle Ratifikationen 
beigebracht sind, so wird über den Hinterlegungsakt ein Protokoll 
errichtet, welches von den Vertretern aller Mächte, die an der Berliner 
Konferenz teilgenommen haben, unterzeichnet, und wovon eine beglaubigte 
Abschrift, welche den Charakter einer gemeinschaftlichen Urkunde hat, 
allen diesen Mächten mitgeteilt wird.*) Dieses Protokoll enthält die definitive 
Vereinbarung. Der Abschluß des Vertrags erfolgt hier durch Ausfertigung 
einer einzigen Urkunde.') 
  
1) F. v. Martens I S. 398 macht darauf aufmerksam, daß die heute zur Verfügung 
stehenden Verkehrsmittel (insbesondere der Telegraph) derartige Ausnahmen von der Regel 
entbehrlich machen. 2) Laband, H. S. 169. Sicho auch Wegmann a. a. 0. S. 52 ft.; 
Seligmann a. a. O0. S. 23. 
3) Dieses vereinfachte Verfahren wurde das erste Mal bei der Kongoakte angewendet 
— nicht, wie Rivier, Lelhrb. 336, Anm. 1 bemerkt, schon bei dem Pariser Kabelvertrag 
von 18S4. 
4) Su heißt es in der Haager Schlußakte 1899: „Geschehen im Haag... in einer 
einzigen Ausfertigung, die im Archive der Regierung der Niederlande hinterlegt bleiben
	        
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