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den halbsouveränen oder Vasallenstaat.1) Anderseits sind die aus dem bundes-
staatlichen Verhältnisse, dem Schutzverhältnisse und dem Verhältnisse der
Halbsouveränen entspringenden Beschränkungen der Dispositionsfähigkeit der
Einzelstaaten, der Schutzstaaten und der halbsouveränen Staaten zugleich
Beschränkungen ihrer Fähigkeit, Verträge über gewisse Gegenstände mit dritten
Staaten zu schließen. Ferner darf der dauernd neutralisierte Staat keine Ver-
träge mit anderen Mächten abschließen, durch deren Erfüllung er die mit
seiner singulären internationalen Stellung verknüpften Verbindlichkeiten ver-
letzen würde. 2)
$ 80. 6. Form der Staatsverträge.°) I. Das gültige Zustandekommen
eines Staatsvertrages ist nicht an eine bestimmte Form der Erklärung des
Vertragswillens der Kontrahenten geknüpft. Die Erklärung muß jedoch regel-
mäßig eine ausdrückliche sein; stillschweigende Willenserklärungen
werden für das Zustandekommen eines Vertrages nur dann genügen, wenn die
Erkennbarkeit eines bestimmten Willensinhalts aus Zeichen und Tatumständen
mit gleicher Gewißheit wie aus gesprochenen oder schriftlich fixierten Er-
klärungen erfolgen kann. — Mündliche Erklärungen des Willens sind zulässig;')
offenbare Gründe der Zweckmäßigkeit haben aber seit jeher der schriftlichen
Form der Willenserklärungen, denen für die rechtliche Ordnung inter-
nationaler Verhältnisse eine sichere Grundlage auch für die Zukunft gegeben
werden soll, den Vorzug vor der mündlichen gesichert; es hat sich in der
Praxis die Regel der Schriftlichkeit gebildet. Dabei ist aber zu beachten, dab
dieser Übung nicht etwa die Bedeutung eines Gewohnheitsrechtssatzes zukommt.)
II. Die schriftliche Willenserklärung kann in verschiedener Form
erfolgen: in Briefen der Souveräne untereinander, 6) in Protokollen, die
von den Beteiligten unterschrieben sind, in Deklarationen.°) Zumeist wird
der Vertrag in einer herkömmlichen, vielfach solennen Form urkundlich
1) So verpflichtete die Pforte durch Art. 32 des Pariser Friedens vom Jahre 1856 auch
ihre Vasallenstaaten bezüglich der Fortdauer der Geltung der von der Pforte für ihr ganzes
Staatsgebiet geschlossenen Verträge und Kapitulationen.
2) So führt Rivier, Lehrb. $ 43 Anm. 1 an, daß Belgien in dem Vertrage vom
11. Mai 1867 Luxemburg’s Neutralität nicht mitgarantieren durfte. In Art. 2 dieses Ver-
trages werden als Garanten die Signatarmächte bezeichnet und Belgien ausdrücklich
ausgenommen.
3) Heffter-Geffcken 8$ 87, 89-91; Bluntschli, Völkerrecht $$ 417—424; Hart-
mann 8. 135 ff.; v. Martens 1 8.410ff.; Rivier, Lehrb. $ 48; Geßner, HH III S 19 ff.;
Jellinek, Staatenverträge S. 56; Leopold Neumann, Grundriß S. 66ff.; Seligmann a.
a.0.; Nippold.a. a O. S.178 ff; Pradier-FodeEre& II, $ 10S68q.; Westlake I, 279 sq.;
Oppenheim I], $$ 507 sq.
4) Ein häufiger Gebrauch dieser Form ist im modernen Staatsleben infolge der Mit-
wirksamkeit konstitutioneller Faktoren bei der Bildung des Staatswillens von vornherein aus-
geschlossen. — Beispiele mündlicher Verträge aus älterer Zeit bei F. v. Martens 1412; Oppen-
heim ], $ 507. 5) Vgl. Jellinek, Staatenverträge 8. 56; Nippold a.a. 0. S. 179.
6) So wurde durch einfachen Briefwechsel (12. April bezw. 18. Mai 1781) zwischen
Joseph Il. und Katharina JI. ein wichtiges Offensiv- und Defensivbündnis geschlossen. Vgl.
v. Arneth, Joseph II. und Katharina II S. 67 ff.
7) Gegen die irrige Behauptung, daß Deklarationen keine Verträge begründen vgl.
F. v. Martens I 98, All.