288 Fünftes Buch, Das Staatsgebiet. Das offene Meer. Die intern. Flüsse etc. 8 56.
Privateigentum; eine Analogie mit dem Privateigentum besteht aber insofern
als die Gebietshoheit ein exklusives jus imperandi über das Gebiet und alles,
was sich auf diesem befindet, bedeutet‘). Von dieser publizistischen Stellung
des Staatsgebietes im modernen Recht ist die Identifizierung der Gebietshoheit
mit dem Privateigentum im Mittelalter und auch in neuerer Zeit zu unter-
scheiden. Dort wurde das Verhältnis als sog. Staatsobereigentum (völkerrecht-
liches Eigentum) aufgefaßt. Die in dem Ausdruck Obereigentum (dominium
eminens) zum Ausdruk kommende Überlegenheit besteht für die Gebietshoheit
nicht auf privatrechtlichem Gebiet, sondern auf jenem des Staatsrechts. Daraus,
daß sich der Staat im politischen Sinne alles beilegt, was sich auf dem Ge-
biete befindet, folgt also nicht, daß dies vom Staate für sich selbst und für
seine Zwecke gleichmäßig besessen wird, sondern trotz der Exklusivität der
Gebietshoheit können die einzelnen Teile des Gebietes und die darauf befind-
lichen Rechte in sehr verschiedener Weise zivilistisch besessen werden; sie
können res publicae, patrimonium civitatis, ein Vermögen sein, wovon der
Staat (als Fiskus) im privatrechtlichen Sinne Eigentümer ist und worüber er
als solcher oder nach der Verfassung für gewisse Staatszwecke verfügen kann 2).
Es können auch von anderen Korporationen und selbstverständlich von Privat-
personen Eigentumsrechte an Grund und Boden erworben werden. In manchen
Staaten erscheint als besondere Klasse von Vermögen das fürstliche Domänen-
oder Kammergut als fürstliches Familiengut. Überhaupt kann daraus, daß
eine Klasse von (ütern im Staate vorkommt, nicht geschlossen oder präsumiert
werden, daß sie im Staatseigentum im privatrechtlichen Sinne des Wortes stehen.
Im modernen Recht ist das Staatsgebiet der privatrechtlichen Auffassung
entrückt; es können daher vom Träger der Staatsgewalt Dispositionen über
das Staatsgebiet nur in der in der Verfassung zugelassenen publizistischen
Form des Gesetzes und unter den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen
stattfinden. Dagegen sind jedweder Entäußerung (durch Zession, Tausch) ge-
wisse Teile des Staatsgebiets entzogen, nämlich die Eigengewässer, der Luft-
raum über und der Raum unter dem Staatsgebiet. Diese Pertinenzen des
Staatsgebietes können nur mit Teilen des Landgebiets veräußert werden; so
z. B. kann das Küstenmeer oder ein Fluß usw. nicht für sich zediert werden.
Eine nur scheinbare Ausnahme liegt daun vor, wenn z. B. zum Zwecke der
Grenzberichtigung ein Grenzfluß dem Nachbarstaat abgetreten wird, denn hier
wird der Zusammenhang des Flußes mit dem Landgebiet überhaupt festgehalten:
der Fluß kommt bei einem solchen Vorgang lediglich als Pertinenz des Land-
1) Über die Frage, ob das Staatsgebiet als Objekt der Gebietshoheit aufgefaßt
werden könne vgl. Laband, Staatsrecht I, $$ 8, 9 und 35 ff. gegenüber jenen
Schriftstellern, welche jede Analogie des privatrechtlichen Grundeigentums in der Lehre von
der Gebietshoheit ablehnen (Fricker, Jellinek, G. Meyer, Cavaglieri, Gareis,
v. Liszt u. a). Die Behandlung des Gebiets als Objekt der Gebietshoheit ist im Völkerrecht
im Hinblick auf die Okkupation, Zession, Tausch, Verpachtung, Verpfändung von Staats-
gebiet wohl kaum abzulehnen. A. M. Jollinek, Staatslehre 366.
2) Der Staat kann übrigens nicht bloß im Inlande, sondern auch im Auslande (soweit
nicht rechtliche Schranken gezogen sind) Privateigentum an Grund und Boden erwerben, das
aber der Herrschaft des fremden Staates unterworfen ist.