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290 Fünftes Buch. Das Staatsgebiet. Das offene Meer. Die intern. Flüsse ete. 85
Grenze, wo sie das Land verlassen, ferner jene Flüsse, welche das Land
durchfließen, von dem Punkte der Grenze, wo sie das Land betreten bis zu
jenem, wo sie das Land verlassen; auch Grenzflüsse entweder bis zur Mitte
oder zum sog. Talweg, auch wohl in ihrer ganzen Breite bis zum anderen
Ufer. Die Regelung der Schiffahrt und der Fischerei, sowie der zur Benutzung
des Grenzflusses erforderlichen Anstalten und Maßregeln erfolgt durch Verträge
der adjazierenden Staaten !). Besondere Bestimmungen kommen bei inter-
nationalen Flüssen in Betracht. Ein ausschließliches Dispositionsrecht eines
Staates ist nur möglich bei sog. nationalen Flüssen, d. h. solchen, welche
von ihrer Quelle bis zur Mündung im Meere einem und demselben Staate
gehören.
II. Zu dem Wassergebiet eines Staates gehört ferner das Küstenmeer,
d. h. das nächst der Küste gelegene Meer (mare proximum, mer territoriale,
territorial waters)2). Es ist dies derjenige Teil des Meeres, welcher die Küsten
eines Landes bespült. Die Ausdehnung der Staatsgewalt auf diesen Teil des
Meeres berubt auf einer unanfechtbaren materiellen Grundlage, die zu allen
Zeiten volle Anerkennung gefunden hat; sie besteht vorerst in der Not-
wendigkeit der Wahrnehmung einer Reihe von Interessen, die
einerseits mit der Sicherheit, der Wahrung der Unabhängigkeit
und Autorität des Uferstaates, anderseits mit der Pflege des
ökonomischen Wohls seiner Angehörigen zusammenhängen. In
ersterer Beziehung handelt es sich um die Möglichkeit, vom Ufer aus zum
Schutz gegen plötzlichen Überfall von der Seeseite wirksame Maßregeln auf
dem Küstengewässer ergreifen ?), die eigene Neutralität im Kriege auch nach
der Seeseite wirksam schützen zu können, die polizeiliche und sanitäre Auf-
sicht, sowie die Zollaufsicht mit Erfolg ausüben zu können; in letzterer Be-
ziehung handelt es sich um die Sicherung des Interesses der Uferbewohner
an der ausschließlichen und ungestörten Verwertung der Meeresprodukte an
1) Derlei Verträge enthalten vor allem sicherheitspolizeiliche Vorschriften im Interesse
der ungehinderten Ausübung des Schiffahrts- und Fischereigewerbes; sie sorgen aber auch
für die ökonomischen Interessen, die mit jenen beiden Gewerben für die Volkswirtschaft ver-
knüpft sind, so z. B. durch Normierung von Maßregeln zur Verhinderung der Raubfischerei.
Vgl. z. B. den Vertrag vom Jahre 1885 zwischen dem Deutschen Reich und den Nieder-
landen, betreffend die Lachsfischerei im Rhein.
2) Grotius Il, c. 3 $ 13; Bynkershoek, De dominio maris und Quaestiones juris
publ.I,c.8; Stoerk, HH 11S.409; Perels, Internat. Seerecht (2. A.)S.17 ff.; Heffter-Geffcken
88 75ff.; F. v. Martens I S. 378ff.; Derscolbe in der RG I p. 32sq. (Le tribunal d’arbi-
trage de Paris et la mer territoriale); Rivier, Principes 145ff.; Gareis $ 21; v. Liszt $ 9;
Heilborn, System 37 ff.;, Schücking, Das Küstenmeer im intern. Recht (1897); Pradier-
Fod6re, OH, p. 617 eq.; Nys, I p. 496 sq.,; Despagnet, p. 417 sq.; Ortolan, Diplomatie
de la mer I, p. 150 sq.; Fiore Il, p. 801 sq.; Godey, La mer cötiöre (1896): Imbart-
Latour, La mer territoriale (1889); Hall s$ 41sq.; Westlake I, p. 183sq.; Travers
Twiss I, $8 144, 190, 192; Oppenheim I $$ 185 sq.
3) Damit hängt auch das Recht zusammen, über die Zulassung fremder Kriegsschiffe,
wenn diese in den Küstengewässern verweilen wollen, und über die Zahl derselben zu ent-
scheiden.