306 Fünftes Buch. Das Staatsgebiet. Das offene Meer. Die intern. Flüsse etc. 8 92.
Grenzbezeichnung hergestellte Gegenstände markiert !) werden. Diese Grenz-
zeichen sind Grenzsteine, Pfeiler, Pfosten (gewöhnlich mit dem Hoheitszeichen
des betreffenden Staates versehen), auch wohl Mauern, Gräben, im Wasser-
gebiete Bojen.
III. Die bestehenden Grenzen beruhen teils auf unvordenklichem Besitz-
stand, teils auf Verträgen, insbesondere Grenzverträgen (Grenzregulierungs-
oder Grenzrektifizierungsverträgen) 2), Friedensverträgen, Zessionsverträgen,
die in Friedenszeiten die Übertragung von Staatsgebiet vermitteln. Der Inhalt
der Grenzverträge beschränkt sich indessen nicht bloß auf die Fixierung der
Grenze, sondern umfaßt auch noch eine Reihe von Gegenständen, deren Regelung
durch etwa notwendig werdende Gebietsabtretungen, Gebietstausche usw. ver-
anlaßt wird. — Streitige Grenzen müssen endgültig reguliert werden. Die
Grenzregulierung erfolgt durch Bevollmächtigte der beteiligten Staaten unter
Zuziehung von Fachleuten; derlei Kommissionen werden als internationale
Kommissionen behandelt; im engeren Sinne international sind jene Grenz-
regulierungs-Kommissionen, in denen außer den unmittelbar beteiligten Staaten
auch noch Vertreter dritter Mächte sich befinden®). Durch Verträge pflegen
Nachbarstaaten regelmäßig wiederkehrende Grenzrevisionen zu stipulieren.
Grenzstreitigkeiten werden in neuerer Zeit durch Schiedsgerichte entschieden.
wenn zwischen den Beteiligten weder auf diplomatischem Wege noch durch
Verhandlungen einer Grenzregulierungskommission ein Übereinkommen ge-
troffen werden konnte. Läßt sich die Grenze nicht feststellen, so findet Teilung
des streitigen Gebietes statt. Kommt eine Einigung nicht zustande, so bleibt
das Gebiet gemeinsam und wird dann in der Regel neutralisiert t).
$ 92. Erwerb des Staatsgebietes’). I. Faßt man die rechtliche Be-
ziehung des Staates zum Staatsgebiet als Staatsobereigentum (völkerrechtliches
Eigentum) auf, so ist es unvermeidlich, die Arten des Erwerbs privatrecht-
lichen Eigentums auch für die Begründnng der Gebietshoheit über ein Terri-
1) Beispiele: der limes rhaeticus und trausrhenanus der Römer gegen die Germanen;
die chinesische Mauer.
2) Beispiel: Art. 20, 21 des Pariser Friedens vom Jahre 1856 betr. die Bessarabische
Grenzrektifikation mit Gebietsabtretungen.
3) Art. 30 des Pariser Vertrages vom Jahre 1856 hatte für die Fixierung der russisch-
türkischen Grenze eine gemischte Kommission in Aussicht genommen (je zwei russische und
türkische Bevollmächtigte und je ein französischer und englischer).
4) Rivier, Lehrb. 8. 144 und die dort Anm. 3, 4 angeführten Beispiele.
5) Heffter-Geffeken $$ 69—72; v. Holtzendorff, HH II S. 252ff.; Bluntschli,
Völkerrecht $$ 279—295; F. v. Martens I S. 349ff.; Hartmann S. 170ff.; Gareis $& 76;
v. Liszt $ 10; Rivier, Lchrb. 8. 145 ff.; Derselbe Principes I, $12; Heimburger, Der
Erwerb der Gebietshoheit (1888); Salomon L’occupation des territoires sans maitre (Paris
1899), dazu Heimburgerim Arch. £. öffentl. Recht V S. 445 ff.: Adam im Arch. f. öffentl.
Recht VI (auch im Sonderabdruck, nach dem hier zitiert wird); Despagnet, Cours p.400sq.;
Pi€Cdelievre, Precis Ip. 364 sq.; Pradier-Foder&, Traite II 8$ 781 sq.; Calvo 1 & 210 sq.;
Ortolan, Des moyens d’acquörir le domaine international (1851); Tartarin, Trait& de l’oc-
cupation (1873); Fiore I p. 838 8q.; Jeze, Etude theor. et prat. sur P’occupation comme mode
d’acquerir les territoires en droit international (1896); Hall $ 31; Westlake, I, 84 3q;;
Phillimore I, $$ 222sq.; Randolph, The law and policy of annexation (1901); Oppen-
hoim 1, $$ 209 sq.