Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

324 Fünftes Buch. Das Staatsgebiet. Das offene Meer. Die intern. Flüsse etc. & 101. 
  
Belastung. ) — Der dingliche Charakter der Staatsdienstbarkeit schließt die 
einseitige Kündigung seitens des verpflichteten Staates aus. Eine Milderung 
der praktischen Konsequenzen der dauernden Belastung kann infolge der ver- 
änderten Umstände billig bezw. notwendig erscheinen; sie kann durch Verträge 
über die Art der Ausübung der Servitut bewirkt werden, auf welche dann 
allerdings die clausula rebus sic stantibus anwendbar ist. 2) 
$ 100. Erhaltung, Beendigung und Verlust der Gebietshoheit. Die 
Erhaltung der Gebietshoheit beruht auf der Fortdauer des animus des Subjekts 
der Staatsgewalt, den Landstrich zum Staatsgebiete zu zählen. Der Tod des 
Souveräns bewirkt hierbei in der Monarchie keine Unterbrechung: es gibt hier 
keine possessio vacua bis zum förmlichen Regierungsantritt des Nachfolgers. 
— Ferner ist erforderlich die Fortdauer der äußeren Erkennbarkeit der Gebiets- 
hoheit für dritte Staaten. — Als bloßer Anspruch (Prätension) betrachtet, wird 
die Gebietshoheit im Falle rechtswidriger Entreißung schon durch sich selbst, 
d. h. durch die Rechtmäßigkeit der älteren Innehabung aufrecht erhalten. 
Hiezu bedarf es nicht notwendig einer Protestation. In der Praxis ist es 
aber sehr wichtig. in solchen Fällen Protestation einzulegen, um dritte Staaten 
abzuhalten, den widerrechtlichen Besitzer anzuerkennen oder dessen Besitz zu 
garantieren, insbesondere um den Einwand abzuschneiden, daß man still- 
schweigend sein Recht aufgegeben habe. 
Der Verlust der Gebietshoheit ist in Fällen des derivativen Erwerbs 
eines Staatsgebiets die mit der Veräußerung gegebene Wirkung auf Seite des 
Zedenten. — Die Gebietshoheit erlischt durch Dereliktion, d. h. durch ab- 
sichtliche Entfernung der Zeichen der Herrschaft, also überhaupt durch das 
Aufgeben des animus habendi und der Tatsache des Besitzes; ferner durch 
Untergang des Objekts, z. B. einer Insel, endlich durch vollendete feindliche 
Eroberung. 
$ 101. Das offene Meer?) I. Nach dem oben Gesagten sind gewisse 
Teile der das Festland der Erde umgebenden Wassermasse Gegenstand der 
Gebietshoheit. Im Gegensatze zu diesen Meeresteilen wird der -Ausdruck 
  
1) Vgl.v. Holtzendorff, HH II $ 50 mit Bezug auf die im Jahre 1815 stipulierte 
Entfestigung von Hüningen. 
2) Es wird von Clauß S. 224ff. mit Recht auf den korrekten Standpunkt Englands in 
der Neufoundländer Fischereifrage hingewiesen; seit Begründung der Servitut haben sich die 
Verhältnisse und die ökonomische Lage Neufoundlands von Grund aus geändert; England hält 
aber an dem Servitutscharakter der französischen Fischereirechte fest. 
3) Nizze, Das allgemeine Scerecht der zivilisierten Staaten I; Perels, Das interna- 
tionale Öffentliche Scerecht S. 11ff.; Attimayer, Die Elemente des internationalen öffent- 
lichen Seerechts; Heffter-Geffeken $$ 73, 74; Bluntschli, Völkerrecht 8$ 304, 305; 
Stoerk, HH ILS. 483 ff.; v. Martens IS. 873ff.; Rivier, Lehrb. 166 ff.; Gareis $ 21; 
v. Liszt $26; Harburger, Der strafrechtliche Begriff Inland in seiner Bezichung zum Völker- 
recht und Staatsrecht (1582); v. Bar, Theorie und Praxis d. intern. Privatrechts II; Heil- 
born, System 36 ff.; Radnitzky, A. d. ö. R. 1907, 416 ff.; Azuni, diritto maritimo (1796); 
Ortolan, Rägles intern. de la diplom. de la mer. (4. Aufl.); Hautefeuille, Histoire des 
origines, des progrös et des variations du droit maritime et international; Pradier-Fod6re, 
Trait€ II $ 87sq.; Despagnet, Cours p. 432 sq.; Piedelitvre, Precis I, p. 385 sq.; Bon- 
fils p. 573 sq.; Fiore Il, p. 71$8sq.; Cauchy, Le droit maritime intern. consider& dans ses
	        
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