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Verdacht gegen das Schiff eingeschritten werden kann. Es darf daher das
Kriegsschiff das Hissen der Flagge und somit die Legitimation der Nationalität
fordern. Verweigert das Schiff die Legitimation, so wird der Kommandant
des Kriegsschiffes nach Maßgabe der Umstände des konkreten Falles die durch
den Zweck des Einschreitens erforderlichen Maßregeln mit Vorsicht anwenden;
findet der Verdacht der Piraterie keine Bestätigung, so haftet der Kommandant
für die Folgen seines Einschreitens. !)
V. Mehrfach wurde dem Seeraub (Piraterie) rechtswidriges Verhalten von
Privatschiffen auf hoher See gleichgestellt, welches dem Tatbestande des See-
raubes nicht entspricht (sog. uneigentlicher Seeraub). Unter diesen Gesichts-
punkt wurde der Fall gestellt, daß ein Kaper sich von beiden Belligerenten
Kaperbriefe ausstellen läßt, ferner der Sklavenhandel, schwere Verbrechen, die
zu Lande begangen mit dem Tode bestraft werden, neuestens die dolose Zer-
störung oder Beschädigung der submarinen Telegraphenkabel.?2) Allein diese
Gleichstellung verkennt die Differenz der Angriffsobjekte dieser Handlungen,
verwertet entfernte Analogien und Fiktionen; in Wahrheit bezweckt jene Identi-
fizierung der Tatbestände lediglich die Betonung gleicher Strafwürdigkeit. —
In Verträgen und Gesetzen wurden auch neutrale Schiffe, die im Interesse eines
der Kriegführenden, jedoch ohne Autorisation ihrer eigenen Regierung Kaperei
betreiben, den Seeräubern gleichgestellt. Völkerrechtlich nicht zu rechtfertigen
war das Dekret des Präsidenten Lincoln vom 21. April 1861, wodurch die Kaper
der rebellischen Südstaaten Seeräubern gleichgestellt wurden; mit Recht hatte
die englische Regierung dagegen Einspruch erhoben.
$ 105. Die internationalen Flüsse’). I. Die Wichtigkeit jener Flüsse,
welche die Gebiete mehrerer Staaten durchströmen und die Verbindung mit
der offenen See herstellen (sog. internationale Flüsse), für den Welt-
verkehr drängte in neuerer Zeit zur konventionellen Regelung der betreffenden
Verhältnisse. Es handelte sich um die Herbeiführung der formellen Aner-
kennung gemeinsamer Interessen in Ansehung von Verkehrswegen, die in
ihren Teilen der Souveränetät einzelner Staaten unterworfen sind; das prak-
tische Ziel war die Schaffung rechtlicher Grundlagen für die gemeinsame Be-
1) Vgl. Perels, Internationales Seerecht S. 112ff.; Gareis, HH Il 577, 578.
2) So Dudley Field in seinem International Code Art. 83; ferner der Vorschlag der
nordamerikanischen Unionsregierung vom Jahre 1869 betr. eine Konvention zum Schutze der
unterseeischen Telegraphenkabel. Gegen die Behandlung der hier in Frage stehenden Hand-
lungen als Seeraub Renault, Annuaire III u. IV 362 sq.
3) Carath&odory, Le droit intern. concern. les grands cours d’eau (1861); Derselbe,
HH I S. 280 ff.; Engelhardt, Du rögime convent. des fleuves intern. (1879), ein Kapitel
dieser Schrift: La libert& de la navigation fluviale in der R XI 363 sq.; Derselbe, ebenda
XIII 87 sq.; Derselbe, Histoire du droit fluvial international (1889); Orban, Etude sur le
droit fluvial conventionnel (1896); Berges, Du regime de navigation des fleuves internatio-
naux (1902); Hall $ 39; Westlake I, 142sq.; Travers Twiss I $ 145; Oppenheim,
18178; Wurm, Fünf Briefe über die Freiheit der Flußschiffahrt (1858); Schuyler, American
diplomacy etc. VI p. 265 sq.; Heffter-Geffceken $ 77; Bluntschli, Völkerrecht $ 314 ff. ;
F. v. Martens I S. 386 ff., IL S. 242 ff.; Gareis S. 6Sff.; Rivier, Lehrb. S. 155 ff.; Des-
pagnet, Cours 448 sq.; Stoerk, in v. Stengel’s Wörterb. d. d. Verwaltungsrecht s. v.
»Schiffahrt“ (3. Erg.-Bd.).