342 Fünftes Buch. Das Staatsgebiet. Das offene Mcer. Die intern. Flüsse etc. $ 106.
dieser Verbindungswege von Meer zu Meer. Der Schutz dieses wichtigen
Interesses kann aber nur dann in vollem Maße gesichert sein, wenn die See-
kanäle durch betreffende internationale Vereinbarungen in Friedens- und
Kriegszeit jedweder einseitigen Machtentfaltung einzelner Staaten entzogen
werden; dies ist hinwieder nur möglich durch rückhaltlose Anerkennung und
Betonung des universellen Zweckes jener großartigen Unternehmungen, in
denen sich menschliche Energie und Geisteskraft in Verbindung mit mächtigen
Kapitalmitteln in den Dienst der Menschheit gestellt haben.
IV. Alsbald nach Eröffnung des Suezkanals hatten Diplomatie und
Wissenschaft !) das wichtige Problem, den neuen Verkehrsweg in Friedens-
und Kriegszeiten dem Verkehre offen zu halten, in das Auge gefaßt und ins-
besondere seit dem letzten russisch-türkischen Kriege die Notwendigkeit erkannt,
die Angelegenheit für die Zukunft auf eine feste rechtliche Grundlage zu
stellen2). Das Institut für internationales Recht hatte im Jahre 1877 die
Initiative der Beratung des Gegenstandes ergriffen. Auf Grund des Berichts
von Travers Twiss?) wurde in den Sessionen zu Paris 1878 und Brüssel 1879
verhandelt‘); die Resolutionen bezielten die Freiheit der Schiffahrt auf dem
Suezkanal in Friedens- und Kriegszeiten, sowie die Sicherung des Kanals gegen
Beschädigungen). Offiziell wurden die Verhandlungen der Mächte durch ein
Rundschreiben der englischen Regierung vom 3. Januar 1883 eingeleitet").
Durch die Londoner Deklaration vom 17. März 1885 wurde für den 30. März
der Zusammentritt einer Konferenz in Paris beschlossen, welche mit Zugrunde-
legung des obigen Rundschreibens der englischen Regierung einen Vertrag
vorbereiten sollte, dessen Zweck dahin bezeichnet wurde: de consacrer par un
acte conventionnel l’&tablissement d’un r&gime definitiv destine & garantir, en
tout temps et & toutes les Puissances le libre usage du Canal de Suez. Das
Ergebnis der Verhandlungen war der zu Konstantinopel am 29. Oktober 1855
unterzeichnete Vertrag der Großmächte, ferner Spaniens, der Niederlande und
der Türkei‘). Diesem Vertrage gemäß sol) der Kanal von Suez jederzeit inı
Kriege wie im Frieden allen Kriegs- und Handelsschiffen ohne Unterschied
der Flagge, zur freien Benutzung offen stehen; die Signatarmächte verpflichten
sich, die Benutzung des Kanals in Friedens- und Kriegszeiten in keiner Weise
zu beeinträchtigen; das Blokaderecht darf niemals ausgeübt werden. Ferner
verpflichten sich die Signatarmächte zur Schonung des Materials, der baulichen
Anlagen, der Einrichtungen, der Arbeiten des See- und Süßwasserkanals. Die
1) Vgl. insbes. Travere Twiss, R. VII 682 sq.; R XIV, $72; RXVII, 615; Asser
l. c.; Renault, Le Canal de Suez (1682); Rolin-Jacquemyns R II, 314 und die oben
angeführten Schriften.
2) Allerdings hatte jener Krieg keinen nachteiligen Einfluß auf die friedliche Benützung
des Suezkaunals seitens aller Flaggen ausgeübt; allein das Bedürfnis der Umgestaltung des
tatsächlichen, aber prekären Zustandes in einen rechtlich gefestigten war doch durch jene
kriegerischen Vorgänge in den Vordergrund getreten. Vgl. Annuaire II p. 147.
8) Annuaire Ill et IV p. 111 sq. 4) Annuaire 1lI et IV p. 328 sq.
5) Annuaire III et IV p. 349 und Revue de dr. intern. XII p. 100, 101.
6) Vgl. Travers Twiss, Revue de dr. intern. XIV p. 572 sq.
<) Siebe Travers Twiss, R XVII 6!5 sq.