$ 106. Die internationalen Seen und Kanäle. 343
Durchfahrt ist auch im Falle eines Krieges den Kriegsschiffen der Belligerenten
offen gelassen; dagegen dürfen weder in dem Kanal noch in dessen Zufahrts-
häfen, ferner in einer Zone von drei Seemeilen von diesen Häfen keine Kriegs-
handlungen vorgenommen werden. In dem Kanal dürfen keine Kriegsschiffe
stationieren; in Port Said und Suez dürfen die Mächte nur je zwei, Bellige-
renten dagegen keine Kriegsschiffe stationieren lassen. Die Überwachung der
Ausführung der Vertragsbestimmungen ist den in Egypten fungierenden
Agenten der Signatarmächte übertragen; die Agenten haben ihre Aufgabe in
regelmäßig jährlich einmal tagenden Konferenzen zu erledigen.
V, Bezüglich des Durchstichs des Panama-Isthmus haben England und
Nordamerika durch die Konvention vom 6. Februar 1900 (den sog. Hay-
Pauncefote Vertrag) den oben erwähnten Clayton-Bulwer Vertrag abge-
ändert bezw. ergänzt. Der neue Vertrag gibt den Vereinigten Staaten, um
die Herstellung des Wasserweges zwischen dem Atlantischen und Stillen Ozean
zu erleichtern, die kontrollierende Macht über den künftigen Kanal unter
ähnlichen Bedingungen, wie diejenigen des Vertrages (1888) zwischen England
und anderen Mächten für die freie Schiffahrt auf dem Suezkanal; der Kanal
soll frei und offen in Kriegs- wie in Friedenszeiten (für die Handels- und
Kriegsschiffe aller Nationen auf der Basis absoluter Gleichheit) sein. Kriegs-
schiffe einer kriegführenden Macht sollen in dem Kanal weder sich ver-
proviantieren, noch irgend welche Vorräte anfnehmen, ausgenommen, soweit
dies durchaus notwendig ist. Kein Kriegführender soll Truppen, Kriegsmunition
oder Kriegsmaterial im Kanal ausschiffen oder einschiffen, ausgenommen in
Fällen zufälliger Behinderung. Diese Vorschriften sollen auch für die inner-
halb eines Radius von 13 Seemeilen liegenden Gewässer gelten. Kriegschiffe
eines Kriegführenden sollen in diesen Gewässern nicht länger als 24 Stunden
zu irgend einer Zeit verbleiben, ausgenommen in Notfällen (case of distress).
Die Maschinerie, die Etablissements, die Gebäude und alle für die Herstellung
des Kanals notwendigen Werke gelten als integrierende Bestandteile des Kanals
im Sinne dieses Vertrages. Den Kanal oder die anliegenden Gewässer be-
herrschende Befestigungen sollen nicht errichtet werden. Es soll indessen den
Vereinigten Staaten freistehen, längs des Kanals eine solche militärische Polizei
zu unterhalten, als notwendig sein mag, um denselben vor Gesetzlosigkeit und
Unordnung zu schützen. — Damit hat nun England auf das sachlich so be-
deutsame Recht der gemeinsamen Aufsicht über den künftigen Kanal ver-
verzichtet, Die Neutralisierung des Kanals ist dagegen in dem neuen
Vertrag durch die Anwendbarkeit des Suez-Kanal-Vertrages klarer zum Aus-
druck gebracht.
1) Vgl. Keasby, The Nicaragua and the Monroe doctrine (1896); Vialette, Les Etats
Unis et le Canal interoc&anique — un Chapitre d’hist. Diplom. Ame£ricaine, in RG X, 5 sq.;
Whitley, Les trait&s Clayton-Bulwer et Hay-Pauncefote, in R XXXIII, 5 sq.