Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

358 Sechstes Buch. Rechtliche Stellung der Individuen. $ 112. 
  
und Untertanen werden zu wollen, zu erwerben. Diese Einrichtung führt zu 
Konflikten mit jenen Ländern, welche eine derartige Option für eine fremde 
Staatsangehörigkeit als Expatriationsgrund nicht kennen.') 
8. Wechsel der Staatsangehörigkeit in Folge völkerrecht- 
licher Vorgänge. In Fällen von Gebietszessionen vollzieht sich ipso 
jure der Eintritt der Bevölkerung des zedierten Gebiets in die neue Staats- 
angehörigkeit. Wie bereits oben in der Lehre von der Gebietszession (S. 31$) 
ausgeführt worden ist, berücksichtigt die neuere völkerrechtliche Praxis die 
Zwangslage, in der die Individuen infolge des ipso jure eintretenden Wechsels 
der Staatsangehörigkeit sich befinden, durch Einräumung des Optionsrechts. 2) 
Die Option gestattet die Staatswahl in engstem Zusammenhang mit 
dem völkerrechtlichen Vorgange der Gebietszession und mit Be- 
schränkung auf die Wahl des bisherigen Heimatsstaats; daher muß auch die 
Staatswahl durch Option innerhalb einer in dem Zessionsvertrage bestimmten 
Frist sich vollziehen, widrigenfalls eine Änderung der Staatsangehörigkeit nur 
auf anderem Wege durch Gebrauch der Auswanderungsfreiheit bewirkt werden 
könnte. Die Option bewirkt den Austritt aus der zwangsweise auf- 
erlegten neuen Staatsangehörigkeit; das Optionsinstitut wird daher 
insbesondere dann praktische Wichtigkeit haben, wenn die Zession an einen 
Staat erfolgt, der die Auswanderungsfreiheit nicht anerkennt. 
9. Der Erwerbder Staatsangehörigkeit durch Niederlassung 
im Lande hat sich noch in einigen Ländern erhalten (in Dänemark, Norwegen; 
in Brasilien und Venezuela aus populationspolitischen Motiven). Der Erwerb voll- 
zieht sich hier ipso jure; er ist ohne Einfluß auf die bisherige Staatsangehörigkeit. 
$ 112. Verlust der Staatsangehörigkeit. Nach den Bestimmungen der 
Gesetzgebungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit kann in der Haupt- 
sache der Unterschied freiwilligen Verzichts und der Fälle des ohne einen auf 
das Erlöschen der Staatsangehörigkeit gerichteten Willensakt des Individuums 
eintretenden Verlust festgehalten werden. Es wurde schon oben hervor- 
gehoben, daß die hier konkurrierenden Interessen des Individuums, der an 
einem Verkehrsakte der Individuen beteiligten Staaten und der Staaten- 
gemeinschaft eine rechtliche Ordnung empfehlenswerth erscheinen lassen, welche 
den Verlust der Staatsangehörigkeit nur eintreten läßt, wenn gleichzeitig der 
Eintritt in einen anderen Staatsverband erwirkt wird und der Grundsatz all- 
seitige Anerkennung findet, daß der Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit 
den Verlust der bisherigen zur Folge hat. Dadurch würde einerseits der 
Heimatlosigkeit, anderseits der Häufung der Staatsangehörigkeit und den mit 
beiden anomalen Verhältnissen gegebenen Konflikten der Staaten in der Haupt- 
sache vorgebeugt werden können. Allein, die Gesetzgebungen regeln vielfach 
die Gründe des Verlusts der Staatsangehörigkeit in der Art, daß nur eine 
  
1) Für jene Staaten, welche die Naturalisation im Auslande als Expatriationsgrund an- 
erkennen, entsteht immer noch die Frage, ob die Naturalisation auch den Fall der Option 
umfaßt. Siche darüber v. Bodmann a. a. O. 357 und 212 ff. 
2) In älteren, aber auch in neueren Verträgen und in Zessionsverträgen wurde die Aus- 
wanderungsfreiheit vorbehalten.
	        
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