Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

360 Sechstes Buch. Rechtliche Stellung der Individuen. $ 113. 
  
Tatbestand bildet, mit dem die Subjektion des Individuums unter die Terri- 
torialhoheit des Aufenthaltstaats verknüpft ist, der nunmehr Gehorsam gegen- 
über seinen Gesetzen unbedingt in Anspruch nimmt; auch ist die Einwirkung 
der heimatlichen Staatsgewalt auf den Staatsangehörigen in manchen Rich- 
tungen ausgeschlossen, soweit nicht der Aufenthaltsstaat (von Fall zu Fall 
oder auf Grund von Konventionen regelmäßig) eine solche Einwirkung gestattet. 
Im ganzen ergibt sich eine Konkurrenz der heimatlichen und der fremden 
Staatsgewalt, wobei zwar die rechtliche Verbindung mit dem Heimatsstaat 
(die Staatsangehörigkeit) in letzter Reihe entscheidende Bedeutung behält, die 
faktische Subjektion unter die Territorialhoheit des Aufenthaltsstaats aber 
doch die Wirksamkeit der Personalhoheit des Heimatstaats einschränkt und 
modifiziert, also eine parallele Wirksamkeit der beiden konkurrierenden Ge- 
walten nicht durchführbar ist; die Konkurrenz kann vielmehr Kollisionen der 
beteiligten Staaten hervorrufen. Mit der aus dem heutigen Verkehr sich er- 
gebenden Forderung, derlei Ortsveränderungen der Staatsangehörigen als 
legitime Betätigung der Individualfreiheit gelten zu lassen, tritt die Not- 
wendigkeit eines Verhaltens der beteiligten Staaten hervor, das die konkur- 
rierenden und eventuell kollidierenden Interessen zu sichern geeignet ist. Die 
Staatenpraxis hat eine Reihe von Grundsätzen ausgebildet. Die Fortdauer 
der Gehorsamspflicht gegenüber dem Heimatsstaat kommt 1. darin zum Aus- 
druck, daß jedermann auch im Auslande (mit der oben angedeuteten Ein- 
schränkung) zur Beobachtung der Normen seiner heimatlichen Rechtsordnung 
verpflichtet ist. Dies gilt auch von den Privatrechtsnormen (Personenrechte, 
Familienverhältnisse, die Fähigkeit zur Eingehung einer Ehe, Vormundschafts- 
sachen, Erbrecht usw... 2. Der Aufenthalt im Ausland ändert nichts an der 
Erfüllung publizistischer Verpflichtungen (Wehrpflicht). 3. Die im Ausland 
weilenden Staatsangehörigen können von dem Heimatsstaat zu finanziellen 
Leistungen herangezogen werden. Der Aufenthaltsstaat ist aber nicht ver- 
pflichtet, bei der Einhebung der Steuer mitzuwirken. 4. Der Eintritt in fremden 
Zivil- und Militärdienst ist heute allgemein an die Zustimmung der heimat- 
lichen Staatsgewalt gebunden; ebenso können Titel, Würden u. dergl. nur mit 
solcher Zustimmung angenommen werden. 
II. Nach heutiger Rechtsanschauung und nach dem positiven Reclıt der 
modernen Rechtsstaaten erschöpft sich das Verhältnis des Einzelnen gegenüber 
dem Staat nicht in dem Pflichtenverhältnis, das allerdings auch heute als das 
primäre aufgefaßt werden muß. Das nıioderne Recht gewährt dem Individuum 
auch rechtliche Ansprüche an den Staat. Im Bereich der hier erörterten 
Frage komnt 1. der Anspruch des Staatsangehörigen auf Wieder- 
aufnahme im Heimatsstaate in Betracht, ein Anspruch, der eventuell 
im Verwaltungsrechtswege geltend gemacht werden kann; 2. der Anspruchı 
auf Schutz seitens der heimatlichen Staatsgewalt im Auslande. 
Praktische Gründe schließen eine analoge Ausbildung dieses Anspruchs, wie 
sie der Anspruch sub 1 im modernen Verwaltungsrecht gefunden hat, aus; 
eine Wahrung des Schutzinteresses der Staatsangehörigen im Auslande durch 
Inanspruchnahme der Rechtsmittel der Verwaltungsrechtspflege gegenüber der
	        
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