Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

$ 117. Einleitende Bemerkungen. 371 
  
nicht erfüllen könnte. Wir sehen also: legitime und wichtige Interessen sind 
wegen der Unzulänglichkeit des Schutzes und der Pflege, über welche die 
individuellen Träger dieser Interessen verfügen, als Gemeininteressen an- 
erkannt, zum Gegenstand des Schutzes und staatlicher Fürsorge erhoben. 
Sofort entsteht aber die Frage, ob sich der heutige Staat im Besitze durch- 
greifend wirksamer Mittel befindet, die Rechtsaufgabe von sich aus zu lösen 
und im Bereich der Kulturaufgabe betreffende Gemeininteressen wirksam 
zu schützen und positiv zu fördern. In erster Linie muß der Staat mit 
seinen eigenen geistigen und materiellen Mitteln für betreffende Aufgaben auf- 
zukommen suchen. Allein, so viel steht schon heute fest, daß auf den meisten Ge- 
bieten staatlicher Verwaltung die eigenen materiellen und formellen Macht- 
mittel versagen. Die meisten Interessen, welche den Gegenstand staatlicher Ver- 
waltung bilden, haben sich innerhalb der heutigen Gemeinschaft zivilisierter 
Staaten geradezu zu solidarischen und sohin zu internationalen Inter- 
essen ausgebildet. 
Diese internationale Seite der Objekte der Staatsverwaltung verweist 
die Staaten auf die Verwertung von Mitteln, welche die internationale Gemein- 
schaft ihnen zur Verfügung stellen kann; was der einzelne Staat im 
Bereich seiner nationalen Verwaltung nicht zu leisten vermag, das kann die 
kollektive Funktion der Verkehr pflegenden Staaten mindestens annähernd 
erreichen. Wie die staatliche Gemeinschaft (der Sache nach) eine organisierte 
Assoziation der Einzelkräfte für die solidarischen Interessen der Einzelindividuen 
bedeutet, so bedeutet die, wenngleich nicht staatlich organisierte internationale 
Gemeinschaft, eine Assoziation der Kräfte der Einzelstaaten für die als soli- 
darisch erkannten Interessen. Diese kollektive Funktion der Kulturstaaten hat 
in unserem Zeitalter in zahlreichen Kollektivverträgen oder universellen 
Staatsverträgen wirksamsten Ausdruck gefunden, bezw. sie wurde juristisch 
durch diese Verträge ermöglicht. Daneben gibt es große Gebiete, für welche 
bis heute die Einzelverträge in dem engeren Bereich der Gemeininteressen 
zweier Staaten die hier in Frage stehende Funktion erfüllen. Auch auf jenen 
Gebieten, für welche heute Kollektivverträge in Funktion getreten sind und 
organisierte Unionen einer größeren Zahl von Staaten eine stabile Grund- 
lage des Schutzes und der Pflege betreffender Interessen bilden, spielen die 
Einzelverträge noch immer eine ergänzende Rolle. Ja, diese Einzelverträge 
sind eigentlich auf vielen Gebieten der Verwaltung die Vorläufer und Vorbilder 
der späteren Kollektivverträge, deren Notwendigkeit dann hervortritt, wenn 
das zunächst auf zwei oder wenige Staaten beschränkte solidarische Interesse 
infolge der Verkehrsentwicklung universelleren Charakter gewonnen hat. So 
hat sich in unserem Zeitalter auf vielen Gebieten der staatlichen Tätigkeit 
ein ziemlich entwickeltes internationales Verwaltungsrecht!) aus- 
gebildet, das im Hinblick auf die Natur vieler staatlichen Aufgaben und die 
stetige Zunahme des Verkehrs und der engeren Verknüpfung der Interessen 
  
l) Vgl. Lorenz Stein, Einige Bemerkungen über das internationale Verwaltungsrecht 
in Schmoller’s Jahrb. VI S. 395 ff.; Desselben Verwaltungslehre (2. Aufl.) S. 53 ff.; F. v. 
Martens II S. 1ff.; Zaleski, Zur Gesch. u. Lehre der intern. Gemeinschaft (1566). 
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