& 126. Akte der Rechtehilfe in Strafsachen außer der Auslieferung. 391
Eingriff in die fremdenrechtliche Stellung des Beschuldigten bezw. Ver-
urteilten liegt, und der Staat keine Verpflichtung zur Anwendung von Zwang
übernimmt, wird diese Rechtshilfe unbedenklich geleistet werden können.
Gleichwohl enthalten erst neuere Verträge (seit 1869) Vereinbarungen über
Zustellungen aller Art; sie differieren aber in manchen Punkten, so bezüglich
der Staatsangehörigkeit der Person, an welche die Zustellung bewirkt werden
soll und bezüglich des Gegenstandes der Strafverfolgung — so, wenn die
seitens Belgiens geschlossenen Verträge die Zustellungspflicht auf nicht politische
Strafsachen beschränken !). — Bezüglich der Übermittlung ist in einigen Ver-
trägen (im Gegensatze zu dem weitläufigen diplomatischen Wege) ein unmittel-
barer Verkehr der Gerichte auerkannt.
8) Beweiserhebungen pflegen im Bereich der zivilisierten Staaten
auch ohne vertragsmäßige Vereinbarung auf Ersuchen ausländischer Strafgerichte
vorgenommen zu werden?) Die Erledigung der Requisition erfolgt nach in-
ländischem Recht. Die Bereitwilligkeit zur Vornahme von Beweiserhebungen
bezw. die Übernahme der Vertragspflicht bezüglich dieser Klasse von Rechts-
hilfeakten beschränkt sich auf nicht politische Strafsachen 3); die Mitwirkung
wird auch versagt in rein militärischen und fiskalischen Strafsachen; so-
dann in Fällen, in denen die Anklagetat nach den Strafgesetzen des er-
suchten Staats nicht strafbar ist. — Über die Zeugnispflicht und die Pflicht
zur Abgabe eines Sachverständigengutachtens (bezw. die Eidespflicht dieser
Personen) entscheidet das Recht des Aufenthaltsstaats. Eine Verpflichtung
vor dem ausländischen Gerichte zu erscheinen und auszusagen, kann nur
durch Staatsvertrag begründet werden. Die Verträge beschränken sich jedoch
auf die Zusage einer Aufforderung an den Zeugen — ohne Androhung von
Zwangsmaßregeln. Dem Zeugen, der freiwillig der Aufforderung Folge leistet,
werden die Kosten der Reise von dem requirierten Staate vorgeschossen ').
Die Verträge enthalten auch die Zusage, daB derlei Zeugen wegen eines De-
likts, das sie im Gebiete des ersuchenden Staats begangen haben, oder wegen
Teilnahme an einem Delikte, dort einer Strafverfolgung nicht unterzogen
würden. — Die Gewährung der Rechtshilfe ist auch unter Staaten, die einen
1) Gegen diese Beschränkung, sowie gegen die Beschränkung der Zustellung lediglich an
Angehörige des requirierenden Staats sprechen mancherlei Gründe. Siehe Näheres bei v. Bar,
Lehrb. S. 329 Anm. 1; Lammasch, HH III S. 571 ff.
2) Seit der Mitte dieses Jahrhunderts enthalten die Auslieferungsverträge zugleich
Vereinbarungen über Requisitionen in Strafsachen. Die englische Auslieferungsakte 1873 kennt
nur eine gesetzliche Pflicht der Gerichte gegenüber einem englischen Staats-
sekretär, auf dessen Aufforderung für eine ausländische (nicht politische) Strafsache Be-
weıserhebungen zu pflegen.
3) Auch dann, wenn in dem betreffenden Vertrage in dieser Richtung keine ausdrück-
liche Beschränkung enthalten ist. Doch werden hier allgemein nur Belastungsbeweise voraus-
gesetzt; Beweiserhebungen zu Gunsten des wegen eines politischen Delikts Angeklagten wer-
den nicht abgelehnt. Vgl. des Näheren L,ammasch, Auslieferungspflicht S. 848 ff.
4) Anders Art. 9 des Öösterreichisch-schweizerischen Auslieferungsvertrags vom Jahre
1855, wonach in außerordentlichen Fällen, „wenn es für die Herstellung der Identität des
Verbrechers oder zur Erwahrung des corpus delicti notwendig erscheint... . die Zeugen
gegenseitig auch persönlich jederzeit zu stellen sind“. Lammasch, HH III S. 57%.