Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

& 150. Das rechtliche Verfahren. Im allgemeinen. 433 
  
  
dritter Staaten eine eigenartige Einrichtung hinzu: die internationalen 
Untersuchungskommissionen, insofern die untersuchende und berichtende 
Tätigkeit dieser Kommissionen praktisch zur gütlichen Auseinandersetzung der 
Streitteile führen kann. 
II. Die Mittel der Selbsthilfe sind: a) die Retorsion, b) die Re- 
pressalien, c) das Embargo, d) die Friedensblokade, e) die Inter- 
vention. Sie werden als nichtkriegerische Mittel der Selbsthilfe bezeichnet. 
III. Das äußerste Mittel der Selbsthilfe ist der Krieg !). 
IV. Für untergeordnete Streitfälle formalen Inhalts wird von dem Los 
Gebrauch gemacht, so z. B. bei Streitigkeiten über die Reihenfolge der Unter- 
zeichnung eines Staatsvertrags. 
$ 150. A. Das rechtliche Verfahren. Im allgemeinen. Ist es (naclı 
dem oben S. 81, 82 Gesagten) die Aufgabe der Haager Konferenzen ?), an- 
knüpfend an das Abkommen vom 29. Juli 1899 das rechtliche Verfahren 
in Völkerstreitigkeiten weiterzubilden, so ist damit im ganzen die Bahn an- 
gegeben, in der sich die Entwicklung bewegen muß; es kann dies nur die 
durch die Eigenart des Völkerrechts und der Entstehung der 
Völkerrechtssätze an sich schon gegebene eigenartige Bahn sein. Damit 
ist jede Nachbildung des innerstaatlichen Prozeßrechts und jede Organisation, 
die nur im Staate möglich ist, ausgeschlossen. 
Da das Völkerrecht seinem innersten Wesen nach eine autonome Ordnung der Lebens- 
beziehungen gegenseitig unabhängiger, keiner übergeordneten Autorität unterworfener Staaten 
ist, so kann auch das Verfahren in Streitfällen nur auf dem der Idee des Völkerrechts selbst 
zugrunde liegenden Gedanken beruhen, d. h. eine internationale Ordnung des Verfahrens kann 
nur als Bestandteil der internationalen Rechtsordnung im ganzen gedacht werden. In dieser 
bildet aber die Überzeugung der Staaten von der Solidarität ihrer Interessen die konstante 
Quelle ordnender Kraft für ihre Beziehungen. Damit sind die leitenden Gesichtspunkte ge- 
geben, von denen aus im Anschluß an die schon vorhandenen Rechtsmittel des internationalen 
Rechts eine Weiterbildung des Verfahrens im ganzen sich vollzichen kann: die Autonomie 
des Willens der souveränen Völkerrechtssubjekte und die damit verknüpfte Initiative dieses 
Willens sowie der Zusammenhang der autonomen Akte der einzelnen Staaten mit den In- 
teressen der internationalen Gemeinschaft. Wer nur das erstere Moment (den souveränen 
Willen) betont, kann zu einer rechtlichen Ordnung des internationalen Verfahrens d. i. zur 
Einschränkung der Anwendung der Selbsthilfe, nicht gelangen; jedenfalls wäre 
konsequent für ihn die Nichtanwendung der Selbsthilfe, z. B. die Übertragung eines Streit- 
falls an einen Schiedsrichter, ein zufälliger Vorgang, aber nicht das Ergebnis der Wirksam- 
  
1) Als historische Kuriosität erscheinen die wenigen Fälle, in denen Konflikte zwischen 
Staaten durch den Zweikampf der Landesfürsten ausgetragen werden sollten. So forderte 
Gustav 1V von Schweden Napoleon I.; Karl IX von Schweden forderte Christian IV. von 
Dänemark. Im Jahre 1523 wurde wegen eines Zweikampfs zwischen Franz I. von Frankreich 
und Karl V. verhandelt. 
2) Die Materialien der Konferenzverhandlungen s. in Conference internationale de la 
paix 1899 (herausg. v. d. holländischen Minist. d. Äußern), ferner NRG (2. S.) XXVI, 2. Eine 
Bearbeitung des Stoffes bietet daa Werk von Meurer. Die Haager Friedenskonferenz Bd. I 
(1905); vgl. auch Dessen Rektoratsrede: Übersicht über die Arbeiten d. HFK 2 (1903); de 
Lapradelle RG VI, 651; v. Stengel, Die H. F. K. im A. f ö.R. (1900); Nippold, Die 
Fortbildung d. Verf. in Völkerstreitigkeiten 11907); M&ringhac, La Conference intern. etc. 
(1900. — Fried, Die zweite Haager Konferenz, ihre Arbeiten u. 8. w. (1909). 8. auch 
Dessen Hdb. d. Friedensbewewegung (1895). 
Ullmann, Völkerrecht. 28
	        
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