436 Achtes Buch. Die intern. Streitigkeiten u. deren Erledigung etc. 8 152.
definitiver Erledigung der Sache zu rechtlich bedeutsamen Ausdruck. Der
Vergleich ist nicht selten das Ergebnis der Überzeugung, daß ein energisches
Behaupten des Anspruchs eine friedliche Lösung des Streitfalles ausschließen
könnte; er beruht daher vielfach auf einer durch die Verhältnisse abgenötigten
Konzession.
III. Bleiben die Verhandlungen ohne Erfolg und kommt nicht eines
der sonstigen Mittel friedlicher Erledigung des Streitfalls zur Anwendung oder
ist dessen Anwendung erfolglos geblieben, so sind unter Umständen die Voraus-
setzungen für die Anwendung der Mittel der Selbsthilfe gegeben. Die gestörten
Beziehungen der Streitteile führen entweder zum Abbruch des diplomatischen
Verkehrs oder mindestens zur Abberufung des Chefs der diplomatischen Mission.
$ 152. 2. Die Mitwirkung dritter Staaten. Die guten Dienste und
die Vermittlung (Mediation) !). I. Ein internationaler Streitfall ist an sich
wie jeder Streitfall unter Rechtssubjekten infolge seiner objektiven und sub-
jektiven Bestimmtheit und Abgeschlossenheit lediglich eine Angelegenheit der
beteiligten Parteien. Indessen, die Eigenart der internationalen Gemeinschaft,
deren Existenz und lebendige Wirksamkeit gerade auf der Überwindung jener
Isolierung der Staaten beruht, die für die älteren und ältesten Epochen des
Staatenlebens charakteristisch war, läßt heute eine künstliche Isolierung ihrer
Mitglieder und die Verkennung der Solidarität ihrer Interessen nicht zu.
Internationale Streittälle äußern vielfach — wie die Erfahrung lehrt, schon
auf entfernte Indizien eines möglichen Streitfalls namentlich unter Großstaaten
— Wirkungen verschiedener Art auf die Interessen nichtbeteiligter Staaten 2).
Damit ist die materielle Grundlage für das Interesse nichtbeteiligter Staaten
an der friedlichen Beseitigung des Streitfalls in legitimen Formen der Mit-
wirkung gegeben. Außer diesem allgemeinen, durch die Interessengemein-
schaft gegebenen Titel der Mitwirkung können noch individuelle Titel
ein solches Eingreifen rechtfertigen, sei es, daß die Streitteile selbst die
Mitwirkung eines Staates anrufen oder die Mitwirkung auf einer Ver-
tragspflicht beruht.
II. Die Doktrin hat bisher die guten Dienste und die Vermittlung
als dogmatisch Verschiedenes auseinandergehalten, obwohl eigentlich nur ein
Quantitätsunterschied vorliegt, der in dem höheren Nachdruck und möglichen
größeren Erfolg der Vermittlung zu finden ist?).
Die guten Dienste charakterisieren sich nämlich dadurch daß die Streitteile ver-
anlaßt werden sollen, durch Verhandlungen zur friedlichen Erledigung der Sache zu gelangen.
1) Berner in Biluntschli’s Staatswörterb. s. v. Staatenverträge; Heffter-Geffcken
86 88, 107; v. Bulmerincq HRL e. v. Vermittlung und HH IV; 17 ff.; F.v. Martens Ill,
454 ff.; Gareis $ 77; v. Liszt 63, 301; Wagner a. a. O.; Meurer HFK I, 104 ff.; Bon-
fils 489, 493 ff.: Oppenheim II, 8$ 7 ff.;, Nippold, Die Fortbildung 411 ff.
2) Die Gefahr eines ernsten Zwiespalts unter Staaten, deren nationales Wirtschaftsleben
einen bedeutsamen Faktor der Weltwirtschaft bedeutet, berührt in fühlbarer Weise sofort auch
die wirtschaftlichen Interessen und damit die innere und äußere politische Lage aller jener
Staaten, die in gleichem oder irgend erheblichem Maße an der Weltwirtschaft beteiligt sind.
3) Siche die Note explicative des russischen Entwurfs für das Friedenabkommen in CJ
de la paix IV, 208 sq. und NRG XXVI, 858 sq.