$ 154. Das Schiedswesen. 447
dem Sitze des Schiedshofs, bezw. bei dem mit dem Sekretariat betrauten „in-
ternationalen Bureau“ eine Liste derjenigen Personen niedergelegt ist,
die von den Signatarmächten benannt und bereit sind, ein Schiedsrichteramt
zu übernehmen!) (Art. 44). Die so benannten Personen sollen unter dem
Titel von Mitgliedern des Schiedshofs in jene Liste eingetragen werden.
Die Bildung des Schiedsgerichts erfolgt a) durch unmittelbare Ver-
ständigung der Parteien, indem sie das Schiedsrichteramt einem einzigen oder
mehreren Schiedsrichtern übertragen, die von ihnen nach Belieben ernannt
oder von ihnen unter den Mitgliedern des ständigen Schiedshofes gewählt
werden; b) in Ermangelung einer solchen Verständigung wird in der im Art. 45
Abs. 3 bis 6 angegebenen Weise verfahren (Art. 55). — Die Mitglieder des
Schiedshofs genießen während der Ausübung ihrer richterlichen Funktion 2)
und außerhalb ihres Heimatlandes die diplomatischen Vorrechte und Befreiungen
(Art. 46), Da die Einräumung dieser Rechte der Sicherung freier Ausübung
des Richteramtes dient, so wird der Zeitpunkt des Genusses jener Rechte
mit dem Beginn der schiedsrichterlichen Tätigkeit zusammenfallen. nicht mit
dem Zeitpunkt der Ernennung oder der nach Art. 46 Abs 1 erfolgenden Mit-
teilung der vollzogenen Bildung des Schiedsgerichts?) an das „Bureau“.
Für den Zusammentritt und sohin den Beginn der Tätigkeit des Schieds-
gerichts ist die den Parteien vorbehaltene Feststellung des Tages ent-
scheidend. — Das Schiedsgericht hat regelmäßig‘) seinen Sitz im Haag. Ab-
gesehen von dem Falle höherer Gewalt darf der Sitz vom Schiedsgerichte nur
mit Zustimmung der Parteien verlegt werden. — Die mit der ganzen Ein-
richtung verbundenen Verwaltungsgeschäfte (Art. 43) besorgt das schon
oben erwähnte internationale Bureau; es steht unter der Leitung und
Aufsicht des ständigen Verwaltungsrats, hat also nicht die Bedeutung
einer selbständigen Stelle. Der ständige Verwaltungsrat besteht aus den im
Haag beglaubigten diplomatischen Vertretern der Signatarmächte und dem
niederländischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten als Vorsitzenden
(Art. 49 FA).)
V. Da die Bildung des Schiedsgerichts im Rahmen des ständigen Schiedshofs
jedesmal für den einzelnen Streitfall erfolgen muß, so ergeben sich in der Praxis Schwierig-
keiten, die insbesondere cine leichte Zugänglichkeit des Gerichts vermissen lassen. Ein An-
1) Zu den Elementen der Gesamtorganisation des Schiedshufs gehört allerdings auch
der Verwaltungsrat Art. 49 FA.
2) Nicht den Mitgliedern des Schiedshofs als solchen, sondern als erwählten Schieds-
richtern.
3) Die Bildung des Schiedsgerichts ist vollzogen mit der Wahl der Schiedsrichter und
der Bestellung des Obmanns.
4) Wenn die Parteien nicht etwas anderes bestimmt haben Art. 60 Abs. 1, vgl. mit
Art. 43 Abs. 1.
5) Die subordinierte Stellung des „Bureaus* gegenüber dem „Verwaltungsrat“ und der
Inhalt der dem letzteren zugewiesenen Funktionen läßt diese beiden Einrichtungen formell
als eine einheitliche Einrichtung erscheinen. Erwägt man ferner die Bedeutung der Be-
setzung des Verwaltungsrats mit diplomatischen Vertretern der Signatarmächte, so tritt uns
auch hier der durchgreifende Gesichtspunkt der Wahrung der Souveränetät der Mitglieder
der internationalen Gemeinschaft deutlich entgegen.