Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

& 158. Internationale Untersuchungskommissionen. 451 
  
$ 157. Obligatorische Schiedssprechung bei Eintreibung von Vertrags- 
schulden. Die HK 1907 hatte auf Antrag des nordamerikanischen Delegierten 
den der sog. Drago-Doktrin zugrunde liegenden Gedanken des Ausschlusses 
von Gewaltmitteln bei Eintreibung vertraglicher Schulden gegenüber einem 
Staate in Erwägung gezogen. Der Antrag und das Abkommen II brachten 
jenen Gedanken in modifizierter Gestalt zum Ausdruck, insofern in den be- 
zeichneten Fällen die Anwendung von Waffengewalt an Bedingungen geknüpft 
wird; systematisch gehört die Frage in die Lehre von der Selbsthilfe, insofern 
es sich primär um positivrechtliche Beschränkung der Anwendung von 
Waffengewalt handelt. Allein die in Art. 1 Abs. 2 des Abkommens normierten 
Bedingungen bringen den Gegenstand in eine engere Beziehung zum Schieds- 
wesen. Das Verbot der Anwendung von Waffengewalt findet nämlich keine 
Anwendung, wenn der Schuldnerstaat ein Anerbieten schiedsrichterlicher Er- 
ledigung ablehnt oder unbeantwortet läßt oder im Falle der Annahme den 
Abschluß des Schiedsvertrags vereitelt oder nach dem Schiedsverfahren dem 
Schiedsspruche nicht nachkommt. — Für das Verfahren soll der Haager 
Schiedshof kompetent sein. — In Ermangelung besonderer Abreden entscheidet 
der Schiedsspruch über den Grund des Anspruchs, sowie über die Zeit und 
die Art der Zahlung. Das Abkommen sichert zweifellos einen billigen Aus- 
gleich der in derlei Fällen kollidierenden Interessen der Schuldner- und 
Gläubigerstaaten, ohne die letzteren gegenüber dolosem Verhalten eines 
Schuldnerstaates schutzlos zu lassen. 
$ 158. II. Internationale Untersuchungskommissionen. I. Es liegt 
in der Natur mancher rechtlichen Konflikte zwischen Staaten, daß bei 
der von den Streitteilen ernstlich angestrebten Erledigung des Streitfalles auf 
diplomatischem Wege die Notwendigkeit bezw. Zweckmäßigkeit vorläufiger 
Feststellung des Tatbestandes und der ganzen objektiven Sachlage 
hervortritt. Gewisse Streitfälle, so z. B. Grenzstreitigkeiten, veranlassen in der 
Regel eine Feststellung des Sachverhalts durch Kommissare — ein Vorgang, 
der sich in der völkerrechtlichen Praxis schon seit langem eingebürgert hat. 
Dagegen liegt es hinwieder in der Natur der politischen Konflikte, 
namentlich dann, wenn die Ehre oder wesentliche Interessen von dem Streitfalle 
berührt werden, daß derlei Feststellungen weder veranlaßt noch möglich sind 1). 
II. In Anlehnung an die bisherige Praxis hat die Haager Konferenz ?) 
  
1) Zweifellos steigert in den dazu geeigneten Fällen die Aufklärung des Sachverhalts 
die von vornherein schon vorhandene Disposition der Streitteile für eine friedliche Erledi- 
gung des Streitfalls; außerdem kann das auf solchem Wege gewonnene Resultat eino für die 
rechtliche Beurteilung des Streitfalles so überzeugende Bedeutung besitzen, daß die auf der 
einen oder anderen Seite noch nicht vorhandene Disposition zu rückhaltloser Anerkennung 
auch der Rechtslage des Falles hervorgerufen und in letzter Reihe eine Willensentscheidung 
der Streitteile ausgelöst wird, welche die friedliche Erledigung des Streitfalls bewirkt. 
Diese Wirkung kann natürlich jene kommissarische Feststellung an sich nicht haben; die Er- 
gebnisse der Untersuchung bilden nur eventuell die Grundlage und den Ausgangspunkt für 
die durch die Streitteile nach freiem Ermessen sich vollzichende Erledigung des Streitfalle. 
2) Über die Verhandlungen siehe Meurer HFK 1, 130 ff.; Oppenheim 11, 7 ff.; Holls, 
The Peace Conference 23sq.; Nippold, Die Fortbildung u.s. w. 452; Fried, Die II. HK 34 ff. 
29*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.