466 Achtes Buch. Die intern. Streitigkeiten u. deren Erlediguug etc. $ 166.
der Kriegführenden untereinander; der Ausbruch eines Krieges ruft aber auch
Beziehungen der Kriegführenden und Neutralen hervor, die heute gleichfalls
(seit der Ausbildung des Neutralitätsrechts) Gegenstand rechtlicher Regelung
geworden sind, Normen, die für beide Teile die Anerkennung von Rechten
und Pflichten zur Folge hatten, durch die ein wirksamer Schutz der kolli-
dierenden Interessen gewährleistet werden soll.
Diese Herrschaft des Rechts ım Kriege berechtigt uns aber nicht, theoretisch den Krieg
als Rechtsmittel im technisch-juristischen Sinne zu behandeln, weil der Krieg ja nicht not-
wendig und immer seine Veranlassung in einem Rechtsstreit findet und sohin nicht immer
als Rechtsmittel in Anwendung kommen könnte. Im übrigen bildet der Krieg als Form der
Selbsthilfe den Gegensatz rechtlichen Verfahrens. Entscheidend ist heute vielmehr, daß jeder
Krieg unter der Herrschaft von anerkannten Rechtsnormen steht. Folgemäßig ist die oben
sub I gegebene Begriffsbestimmung für das heutige Recht dahin zu ergänzen, daß wir
unter Krieg die innerhalb der Regeln des Kriegsrechts sich vollziehende Unter-
nehmung militärischer Gewalthandlungen zu verstehen haben.
$ 166. Arten des Krieges. I. Innerhalb der Unterscheidung von Arten
des Krieges wird der Unterschied von Offensiv- und Defensivkrieg mit
der Gegenüberstellung von gerechtem und ungerechtem Krieg in Zu-
sammenhang gebracht.
Man bezeichnet nämlich den Krieg als Offensivkrieg, wenn ein Teil obne rechtlichen
Grund die kriegerische Verwicklung veranlaßt hat; Angreifer ist also von diesem Stand-
punkt betrachtet nicht derjenige Teil, der den Krieg erklärt oder die erste kriegerische Hand-
lung vornimmt, sondern derjenige, der den Krieg veranlaßt bezw. für den anderen Staat not-
wendig oder unvermeidlich gemacht hat. Sonach ist in juristischer Beziehung der Defensiv-
krieg identisch mit einem gerechten Krieg, der Offensivkrieg gleichbedeutend mit einem
rechtswidrigen d. h. rechtlich nicht motivierten Krieg. Praktisch betrachtet ist aber unter
den Kriegführenden regelmäßig zweifelhaft und jedenfalls mindestens bestritten, auf wessen
Seite das Recht ist. Ferner entziehen sich die Interessenkriege vielfach einer juristischen
Qualifizierung ihrer Ursache bezw. ihres Zweckes. Da nun im Völkerrecht kein souveräner
Staat ein anderes Urteil über sein Vorgehen als sein eigenes für maßgebend anerkennt, so
erscheint konsequent ein jeder Krieg an sich als ein völkerrechtlicher Zustand, zu
dessen Herbeiführung jeder Staat den anderen für befugt hält. Der Augang des Krieges ist
sodann wie ein Gottesurteil zu betrachten, wodurch festgestellt wird, was fortan als das prak-
tisch geltende Recht unter den Streitteilen zu gelten hat. Das Kriegführen ist sonach eine
spezifische Äußerung der Souveränetät; daher liegt in der Anerkennung, als kriegführende
Partei aufzutreten, implicite auch die Anerkennung einer solchen Partei als souveräner Staat,
was namentlich bei sog. Bürgerkriegen, wenn sich eine Provinz von dem Mutterlande trennen
will, von Wichtigkeit sein kann.
II. Mit Rücksicht auf die vielgestaltigen Ursachen und Zwecke des
Krieges werden verschiedene Arten des Krieges unterschieden; sie sind in-
dessen weder juristisch noch praktisch erheblich. Dahin gehört z. B. die
Unterscheidung von Rechtskriegen und politischen Kriegen, Er-
oberungskriegen, Interventionskriegen, Rassenkriegen, Reli-
gionskriegen, Rache- oder Revanchekriegen usw. — Dagegen besitzt
III. Die Unterscheidung von Land- und Seekrieg mit Bezug auf die
heute noch bedeutsam hervortretende Differenz der für den Land- und den
Seekrieg geltenden Normen juristisches und praktisches Interesse.
IV. Eine ältere Unterscheidung von öffentlichen und Privatkriegen
und gemischten Kriegen komnt für das heutige Recht infolge der klaren