8 170, Das Kriegsrecht im objektiven Sinne. 469
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einen Krieg gemeinsam mit Einsetzung ihrer gesamten militärischen Macht,
so sind sie sämtlich Hauptparteien (eigentliche Verbündete, Alliierte).
Die Rechtsverhältnisse der Verbündeten untereinander bestimmen sich nach dem Inhalt
des Bündnisvertrags, eventuell nach den Grundsätzen einer gleichen Gesellschaft. Die Zwecke
der Allianz schließen einseitiges Vorgehen des einzelnen Verbündeten in den kriegerischen
Operationen und bezüglich aller rechtlichen Aktionen aus. Es kann daher keiner der Alliierten
für sich allein einen Waffenstillstand oder Separatfrieden schließen, soweit nicht etwa in dem
Bündnisvertrage oder zufolge besonderer Verabredung etwas andercs stipuliert wird. Die
Verteilung der Beute, der Prisen, die Beteiligung an den Verlusten, an den Kosten und an
der Kriegsentschädigung wird in der Regel eine verhältnismäßige sein, soweit nicht ein ander-
weiter Maßstab der Verteilung gewählt ist. Die Kosten der Mitwirkung einer Nebenpartei
hat in der Regel die Hauptpartei zu tragen. Da die Nebenpartei nur den Kriegszweck der
Hauptpartei unterstützt, so gebührt ihr an dem Kriegserfolge (Ländererwerb u. s. w.) in der
Regel kein Anteil; anderweite Vereinbarungen sind nicht ausgeschlossen. Je nach der Art
der politischen Motive, welche die Nebenpartei zur Leistung der Kriegshilfe bestimmen
mochten, können für sie aus einem erfolgreich beendigten Krieg allerdings mancherlei politische
Vorteile entspringen. — Die Beteiligung an der kriegerischen Aktion eines Staates hat die
Behandlung des Verbündeten und der Nebenpartei als Kriegsfeinde seitens des gemeinsamen
Gegners zur Folge; das Maß und die Art der Mitwirkung begründen an sich keinen Unter-
schied bezüglich der Anwendbarkeit der Regel; die Berufung auf die Vorteile der Neutralität
ist hier allemal ausgeschlossen. Politische Erwägungen mögen in Fällen bloß mittelbarer
Kriegshilfe den Gegner veranlassen, auf die gleiche feindliche Behandlung zu verzichten. Im
übrigen ist für den Gegner nur die Tatsache der irgendwie gestalteten Mitwirkung ent-
scheidend; daher ist die feindliche Behandlung der Nebenpartei auch dann gerechtfertigt,
wenn der Vertrag, in welchem die Nebenpartei ihre Hilfeleistung zugesagt hat, nicht geradezu
mit Rücksicht auf den vorliegenden Kriegszustand abgeschlossen worden ist.
$ 170. Das Kriegsrecht im objektiven Sinne. Kriegsmanier und
Kriegsraison '). I. Im weiteren Sinne regelt das Kriegsrecht in objektivem
Sinne alle auf den Krieg bezüglichen Verhältnisse; es umfaßt also auch jene
Verhältnisse, die sich aus Anlaß eines Krieges zwischen den Kriegführenden
und dritten Staaten ergeben. Im engeren Sinne beschränkt sich der Begriff
des Kriegsrechts auf die Verhältnisse der Kriegführenden unter einander. —
Die Anerkennung von Rechtsregeln für das Verhalten der Kriegsteile ist das
Ergebnis des Zusammenwirkens einer Reihe ethischer, rechtlicher und politischer
Faktoren — im ganzen das Ergebnis der Gesamtentwicklung der Zivilisation.
Während in ältester Zeit?) und bei Konflikten von Völkern auf niederer Kul-
turstufe der Krieg ein Zustand ungemessener gegenseitiger Gewaltübung ist,
der die Herrschaft des Rechts ausschließt und in den seltensten Fällen seine
Grenze in der Erreichung eines bestimmten Kriegszweckes findet, sondern
zumeist in einen Vernichtungskrieg ausartet, charakterisieren sich die späteren
Epochen durch den mächtigeren Einfluß sittlicher und rechtlicher Ideen. Es
finden sich allerdings auch in ältester Zeit mancherlei humane Gewohnheiten,
z. B. in Bezug auf Kriegserklärung, Unverletzlichkeit der Parlamentäre, Heilig-
1) Lueder, HH IV S. 253 ff.; Heffter-Geffcken $ 119; Lentner aa. 0. S. 80;
F. v. Martens II S. 478ff.; Bluntschli 8$ 529 ff.; v. Liszt $ 39, IV, 3; Oppenheim
1$$ 67,68, 69; Bonfils No. 106 sq.; Rivier, Principes 11 235 sq.; Holland, Studies 40 sq.;
Westlake, Chapters 232 sqy.: Fiore III, No. 1244 sq.
2) Über die geschichtliche Entwicklung des Kriegsrechts vgl. insbesondere Lueder,
UH IV S. 257 ff. und die daselbst allegierten älteren und neueren Schriften.