Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

472 Achtes Buch. Die intern. Streitigkeiten u. deren Erledigung etc. $ 171. 
dieser Hinsicht für die Handlungen der zu ihrer bewaffneten Macht gehörenden Personen 
einzustehen haben. 
$ 171. Anfang des Krieges. Kriegserklärung und Kriegsverkündung. 
Ultimatum '). I. Die ältere Zeit fordert für die Begründung des Kriegs- 
zustandes eine förmliche Erklärung, deren Abgabe in der Regel in solenner 
Form erfolgte. Insbesondere wird der Begriff des bellum justum mit der in- 
dictio oder denuntiatio belli d. i. der an den Gegner gerichteten Mitteilung, 
den Krieg mit ihm beginnen zu wollen, verknüpft. Zur Zeit des Fehderechts 
erfolgte eine förmliche Aufkündigung der Treue (diffidatio, sfida. Auch in 
neuerer Zeit kommen noch förmliche Kriegserklärungen vor, außerdem aber 
zahlreiche Fälle des Kriegsbeginns ohne Kriegserklärung; so zählt Mau- 
rice, Hostilities without declaration of war 107 Fälle in der Zeit von 1700 
bis 1870 auf.2) Nach neuerer Praxis ist der Beginn des Kriegszustandes nicht 
von der förmlichen Kriegserklärung abhängig. Jedenfalls treffen jene sach- 
lichen Gründe, welche in früheren Zeiten eine förmliche Kriegserklärung not- 
wendig erscheinen ließen, mit Rücksicht auf die Publizität der Vorgänge in 
den Staaten und die heute zur Verfügung stehenden Publikationsmittel nicht 
mehr zu. Eine andere Frage ist es, ob nicht Gründe dafür sprechen, daß 
der Eintritt eines so exzeptionellen Zustandes, wie es der Krieg ist, der über- 
dies namentlich in der Gegenwart sofort nach den verschiedensten Richtungen 
und Entfernungen bedeutsame Wirkungen auch für nichtbeteiligte Staaten 
äußert, an irgend eine förmliche Erklärung geknüpft werden sollte. Mit dem 
Ausbruch des Krieges erwächst den Neutralen eine Reihe von Verpflichtungen 
bezüglich welcher der Zeitpunkt des Kriegsbeginnes in verschiedenen Rich- 
tungen von größter Wichtigkeit sein kann. Zu diesen evidenten Zweckmäßig- 
keitsrücksichten kommt noch eine juristisch maßgebende Erwägung, die an die 
Tatsache anknüpft, daß wir heute auf dem Boden eines relativ ausgebildeten 
Kriegsrechts den Krieg als ein Rechtsverhältnis behandeln, dessen Be- 
gründung gerade im Hinblick auf wichtige Rechtswirkungen des Kriegs- 
zustandes durch einen rechtlich allgemein anerkannten Willensakt der Betei- 
ligten sich vollziehen sollte. 
II. Bis in die neueste Zeit konnte der Kriegszustand lediglich durch die 
Tatsache gegenseitiger militärischer Gewaltübung (ex vi mutua)) eintreten. 
Indessen fehlte doch nicht jede Willensäußerung, indem vielfach eine Kriegs- 
verkündung (publicatio belli, proclamation de guerre) durch Erlassung eines 
motivierten Manifestes an das eigene Volk, oder an dritte Staaten, oder an 
alle Staaten üblich geworden ist; ferner kamen Mitteilungen durch Zirkular- 
1) Lueder, HH IV S. 332ff.; Heffter-Geffceken $ 120; L. Neumann, Grundriß 
twiff.; Gareis $ 80; v. Liszt $ 39; Pillet l. c. 61ff.; Föraud-Giraud, R. XV], 19sg.: 
Bryas, De la decl. de gucrre (11599); Nagaoka, ebenda (2. Serie) VI, 475 sq.; Sainte-Croix, 
La döclaration de guerre et ses effets immediats (1592); Holland, Studies, 115sq.; Oppen- 
heim II, $ 93sq.; F. v. Martens, RG XI, 133 sq.; Alberic Rolin, Annuaire XX u. XXI. 
2) Siehe Näheres über derlei Fälle Den Beer Portugael in Annuaire XXI; ferner für 
den chinesisch-japanischen Krieg Nagao Ariga, La guerre chino-japonaise (1596). 
3) Bynkershock, Quaest. juris publ. Ip. 2; Potest bellum incipere ab indietione, et 
etiam incipere putest a vi mutua. 
 
	        
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