Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

8 153, Rechtsverhältnisse bezüglich des okkupierten Landes ctec. 497 
  
Vermögen im feindlichen Lande Schutz und Schonung seitens des Okkupanten. 
Im einzelnen gestaltet sich die Stellung des Okkupanten gegenüber dem beweg- 
lichen Staats- und Privatvermögen in folgender Weise. Für das Landkriegs- 
recht gilt heute der durchgreifende Grundsatz, daß das Privateigentum 
überhaupt keinen Gegenstand der kriegerischen Aneignung (der Beute) bildet 
(Art. 46) 1), dagegen ist das bewegliche Staatseigentum auch im Land- 
kriege Gegenstand der Aneignung bezw. Zerstörung, insofern betreffende 
Sachen entweder unmittelbar oder wenigstens mittelbar dem Kriegszwecke 
dienen können. Im übrigen schuf die moderne Völkersitte den Grundsatz, daß 
Sachen, deren Aneignung bezw. Zerstörung mit der Kriegsnotwendigkeit in 
keine Beziehung gebracht werden kann, weder weggenommen noch zerstört 
werden dürfen, sondern von dem Okkupanten geschont und geschützt werden 
müssen. Es sind dies die der Wissenschaft, Kunst, dem Kultus, der Armen- 
und Krankenpflege dienenden Gegenstände und Räumlichkeiten (Art. 56). 
Unter dieser Voraussetzung kann (nach Art. 53, Abs. 1) das Besetzungs- 
heer (bzw. das in das Land vorgedrungene Heer) Bargeld und Wertbestände 
des Staats (ohne Unterschied, in welcher Staatskasse sie vorgefunden werden), 
ferner die dem Staate zustehenden eintreibbaren Forderungen (z. B. Zinsen, 
Pachtgelder u. dgl.), die Waffenniederlagen, Vorratshäuser und Lebensmittel- 
vorräte, Beförderungsmittel (Eisenbahnmaterial, Post-, Telegraphen- und Tele- 
phoneinrichtungen), wie überhaupt alles bewegliche Eigentum (mit der Wirkung 
der Aneignung) mit Beschlag belegen.?) Der bezüglich des Privatvermögens 
heute anerkannte Grundsatz führt auch zu dem Verbote der Aneignung von 
Gegenständen des Privateigentums, die bei getöteten und gefangen genommenen 
Kombattanten vorgefunden werden.?) Dagegen gilt die Aneignung von 
Pferden und militärischen Ausrüstungsstücken, auch wenn sie Privateigentum 
sind, als erlaubt, obzwar auch in diesem Falle die Konsequenzen des obigen 
Grundsatzes die Aneignung ausschließen müßten. 
Derselbe Gesichtspunkt, der für die Aneignung der eben bezeichneten 
Gegenstände des beweglichen Staatsvermögens Geltung beansprucht, ist gegen- 
über analogen Gegenständen des Privateigentums für deren vorläufige 
Wegnahme, Benutzung und event. Verwendung anerkannt. Art. 53, 
Abs. 2 normiert das Recht des Okkupanten, alle Mittel, die zu Lande, zu 
Wasser und in der Luft zur Weitergabe von Nachrichten und zur Beförderung 
von Personen oder Sachen dienen®), mit Ausnahme der durch das See- 
  
1) Über die Entwicklung des Beuterechts in früherer Zeit s. Bluntschli, Beuterecht. 
2) Hiernach ist die Frage der Aneignung des sog. „rollenden Materials“ der Staats- 
bahnen, die in der Doktrin eine verschiedene Beantwortung findet, im Sinne der Anerkennug 
des Aneignungsrechts beantwortet. Dem Geiste des heutigen Kriegsrechts entspricht jeden- 
falls nur die mildere Ansicht, die in den Verhandlungen der HK (vgl. Meurer, HFK II, 
309 ff.) seitens der schweizerischen Delegierten im Anschluß an Art. 6 der Brüsseler Deklaration 
geltend gemacht wurde. 
3) Anders bezüglich solcher Sachen, die dem Staate gehören, z. B. größere Geldsummen, 
wenn die Umstände dafür sprechen, daß sie öffentliches Vermögen sind. Lueder HH IVS. 491. 
4) Die Bedeutung der Eisenbahnen, Telephone, Kabel und Luftschiffe für die heutige 
Kriegführung rechtfertigt die Beschlagnahme und Benutzung dieser Gegenstände, auch wenn 
Ullmann, Völkerrecht. 92
	        
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