$ 157. Besondere Grundsätze des Sceekriegsrechts etc. 507
Die Bestimmungen des Abkommens!) über die Umwandlung von Kauf-
fahrteischiffen in Kriegsschiffe (VII) verfolgen einen doppelten Zweck: Es soll
in erster Reihe eine Gewähr dafür gegeben werden, daß die in die Kriegs-
flotte eingereihten Handelsschiffe die militärische Ordnung und Disziplin be-
obachten und bei ihren Unternehmungen die Gesetze und Gewohnheiten des
Krieges befolgen ?).
IV. Die Angriffs- bezw. Verteidigungsmittel im Seekrieg bestehen heute
vornehmlich in der Verwendung der Schiffsgeschütze, der Torpedo-
boote und je nach Lage der Umstände im Rammen des gegnerischen
Schiffes. Die Beschießung feindlicher Kriegsschiffe kann auch durch die
Küstenbatterien bewirkt werden. Der Zweck der Beschießung von Kriegs-
schiffen ist die Wegnahme oder die Unbrauchbarmachung, eventuell Zerstörung.
Im Falle der Wegnahme werden die Offiziere und die Bemannung kriegs-
gefangen; humane Sitte gebietet die Rettung der Schiffbrüchigen in Fällen
des Sinkens des Schiffes. Gegenüber feindlichen Handelsschiffen wird im Hin-
blick auf die eventuelle Konfiskation von Schiff und Ladung regelmäßig nur
von der Beschießung Gebrauch gemacht werden, um die Beschlagnahme zu
bewirken.
V. Die erwähnten Angriffs- und Verteidigungsmittel werden ihre Wirk-
samkeit innerhalb des verhältnismäßig engen Raumes der konkreten Anwendung
gegen den legitimen Gegner und die legitimen Objekte äußern, daher regel-
mäßig die Interessen der Neutralen nicht gefährden. Dagegen ist eine solche
Gefahr mit dem seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gebrauchten und als zu-
lässig anerkannten neuen Kriegsmittel der Legung von Seeminen zweifellos
verbunden. Ein Gleiches ist von den Torpedos zu sagen, wenn sie nicht
unschädlich werden, nachdem sie ihr Ziel verfehlt haben.
Die völkerrechtliche Zulässigkeit der Verwendung von Minen?) in Gewässern, in
denen die Rechte und Interessen der Neutralen mit jenen der Kriegführenden nicht konkurrieren,
kann natürlich nicht bezweifelt werden. Es könnte daher strenge genommen die Freiheit der
Minenlegung nur in den Eigengewässern der Kriegführenden zugestanden werden, wogegen
auf hoher See und in den Durchfahrtstraßen des Küstenmeeres die Verwendung dieses Kriegs-
1) Text im Deutschen Weißbuch über die HK 1907, Anlage 9.
2) Die rechtliche Stellung solcher Schiffe als Kriegsschiffe ist bedingt durch die Unter-
ordnung unter den direkten Befehl, die unmittelbare Aufsicht und die Verantwortlichkeit der
kriegführenden Macht. Der Befehlshaber muß im Staatadienste stehen und von der zustän-
digen Staatsgewalt autorisiert sein; sein Name muß in der Rangliste der Kriegsmarine stehen.
Die Mannschaft ist den Regeln der militärischen Disziplin unterworfen. — Es muß ferner
die Tatsache der Einreihung äußerlich erkennbar sein und in bestimmter Form zur allgemeinen
Kenntnis gebracht werden. Das Schiff muß die äußeren Abzeichen der Kriegsschiffe seines
Heimatsstaates tragen. Der Kriegführende muß die Umwandlung möglichst bald auf der
Liste seiner Kriegsschiffe vermerken. Die Bestimmungen des Abkommens finden nur zwischen
den Vertragsmächten Anwendung und nur dann, wenn die Kriegführenden sämtlich Vertrags-
parteien sind.
3) Zur Terminologie ist zu bemerken, daß ursprünglich der Ausdruck Torpedo (torpille)
gebraucht wurde und auch heute noch in Frankreich (torpille fixe und mobile) gebraucht wird.
Die Entwicklung der Technik führte aber zur Unterscheidung von Torpedo als Angriffswaffe
und Seemine als Verteidigungsmittel und der verschiedenen Bezeichnung (wie in Deutschland und
Vesterreich-Ungarn).