& 188. Das Seebeuterecht. il
unterlag der Wegnahme die neutrale Ladung auf feindlichem Schiff und das
neutrale Schiff, welches feindliche Ladung führte; nur die neutrale Ware auf
neutralem Schiff blieb frei außer in den Fällen der Zufuhr von Kriegskontre-
bande und des Bruches der Blokade. Die Praxis und Gesetzgebung der See-
mächte ist in den folgenden Jahrhunderten von keiner einheitlichen Maxime
beherrscht; neben liberalerer Behandlung des Gegenstandes treten immer wieder
der Mißbrauch des Aneignungsrechts und die Nichtachtung der Rechte der
Neutralen hervor, so z. B. in der französischen Marineordonnanz von 1681, in
dem Verhalten Frankreichs im siebenjährigen Kriege usw. Der Willkür der
großen Seemächte trat die bewaffnete Neutralität von 1780 entgegen. Seit
dieser Zeit häufen sich autoritative Erklärungen im Sinne der Unverletzlichkeit
des Privateigentums in Staatsverträgen, Aussprüchen von Staatsmännern,
Resolutionen von Korporationen. Allein, sowohl der Wiener Kongreß wie
jener zu Paris (1856) ließen die Frage der Freiheit des Privateigentums un-
berührt; man beschränkte sich auf Zugeständnisse im Interesse des Handels
der Neutralen, womit allerdings mittelbar ein teilweiser Schutz des feindlichen
Privateigentums erzielt worden ist, indem die Seerechtsdeklaration den Grund-
satz „frei Schiff, frei Gut“ sanktionierte. (Namentlich hielt England bis in
die neuere Zeit an dem alten Grundsatz fest.)
II. Die Anwendung des Seebeuterechts kann durch Verträge!), durch
nationale Gesetzgebungsakte und zwar entweder allgemein (unter Voraussetzung
der Reziprozität?) oder für einen bestimmten Krieg?) ausgeschlossen werden.
— Von der Wegnahme und Aneignung sind auf Grund alter Uebung die der
Küstenfischerei dienenden Fahrzeuge und Geräte befreit; die Kriegführenden
pflegten in Verträgen zur Beobachtnng dieses Grundsatzes sich zu verpflichten
(sog. tr&ves pöcheresses)‘); auch wohl in Instruktionen5) und Reglements.
Indessen wurden in älterer und neuerer Zeit die hier maßgebenden Rücksichten
der Humanität von den Mächten verleugnet. Um diesen unsicheren Zustand
zu beseitigen, hat die HK 1907 in dem Abkommen XI die ausschließlich der
Küstenfischerei (also nicht dem Großbetrieb auf hoher See durch Aktien-
gesellschaften) oder der kleinen Lokalschiffahrt dienenden Fahrzeuge,
sowie ihr Fischereigerät, ihre Takelage, ihr Schiffsgerät und ihre Ladung von der
Wegnahme befreit. Die Befreiung hört auf, sobald die Schiffe in irgend welcher
Art an den Feindseligkeiten teilnehmen. Auf die Ausnutzung des harmlosen
Charakters dieser Fahrzeuge zu militärischen Zwecken haben die Signatar-
mächte ausdrücklich verzichtet. — Ferner bilden keinen Gegenstand der An-
eignung schiffbrüchige und verschlagene Güter, die Lotsen- und Kartellboote,
1) Der Vertrag Preußens mit der nordamerikanischen Union 1785 spricht allgemein
für alle Fälle die Unverletzlichkeit des Privateigentums aus. Aus der neueren Zeit gehört
hieher der Vertrag zwischen Italien und der nordamerikanischen Union von 26. Februar 1871.
2) Italienisches Seegesetzbuch Artt. 211, 212.
3) Österreichische Verordnung vom 13. Mai 1866, preußische Verordnung vom 19. Mai
1566, italienische Verordnung vom 20. Juni 1866.
4) Ein solcher Vertrag wurde z. B. zwischen England und Frankreich geschlossen.
5) Z. B. französische Instruktion vom 25. Juli 1870.