Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

526 Achtes Buch. Die intern. Streitigkeiten u. deren Erledigung etc. $ 192. 
  
zu nehmen und zu konfiszieren. Die Voraussetzungen der Konfiskation des 
Schiffes fehlen dagegen bei Postschiffen, die in Ausübung ihres ordentlichen 
Dienstes derlei Depeschen an Bord führen; hier hat der betreffende Kriegsteil 
nur das Recht, sich der Depeschen zu bemächtigen. Im Falle wissentlicher 
Unterstützung des einen Kriegsteils kommt es nur auf diese Tatsache, nicht 
auf den Inhalt der Depesche an; es ist also insbesondere nicht erforderlich, 
daß die Depesche sich unmittelbar auf die militärischen Operationen beziehe. 
Dagegen ist eine andere Bedeutung der Beförderung von Depeschen eines 
Kriegsteils an dessen diplomatische Agenten und Konsulen in neutralen Län- 
dern beizumessen; derlei Depeschen dienen dem trotz Ausbruch des Krieges 
fortdauernden friedlichen Verhältnis der Kriegsparteien und der neutralen 
Staaten. Die Beschlagnahme solcher Depeschen mag aber immerhin vom 
Standpunkte der Kriegsraison als entschuldbar erscheinen. — Die Festnahme 
nicht militärischer Funktionäre eines Kriegsteils auf neutralem Schiff aut 
See ist völkerrechtswidrig'); die feindliche Behandlung des Schiffes ist aus- 
geschlossen. Ausnahmsweise kann die Festnahme solcher Personen durch die 
Kriegsnotwendigkeit gerechtfertigt sein, wenn die Mission der betreffenden 
Person für den Krieg von Wichtigkeit ist. Die Festnahme wird daher jeden- 
falls ausgeschlossen sein, wenn die betreffende Person sich in diplomatischer 
Mission nach einem neutralen Lande befindet. 
IV. Wie die neutrale Regierung, so haben sich auch neutrale Personen 
jeder positiven Unterstützung des einen Kriegsteils gegen den anderen durch 
Beteiligung an feindlichen Operationen zu enthalten; in solchen Fällen ist eine 
Berufung des Neutralen auf seine Neutralität ausgeschlossen. Ebenso wenn 
er Handlungen zugunsten eines Kriegführenden begeht, insbesondere wenn er 
freiwillig Kriegsdienste in der bewaffneten Macht einer der Parteien nimmt. 
In derlei Fällen darf er jedoch nicht strenger seitens des verletzten Krieg- 
führenden behandelt werden, als ein Angehöriger des anderen Kriegführenden 
wegen der gleichen Tat behandelt werden kann (Art. 17 Abk. V)2. Ins- 
besondere müssen neutrale Handelsschiffe jede Mitteilung von Nachrichten, die 
für die kriegerischen Aktionen von Wichtigkeit sein können, unterlassen. 
Spionage hat außer der Wegnahme und Konfiskation des Schiffes auch die Be- 
strafung der schuldhaft beteiligten Personen an Bord des Schiffes zur Folge. 
V. Eine selbstverständliche Folge des Verhältnisses der neutralen 
Staaten zu den Kriegführenden ist die Fortdauer des Verkehrs?), der diplo- 
1) Über den sog. Trentfall siehe Marquardsen a. a. O. In dem amerikanischen Se- 
zessivnskrieg hatte ein Kreuzer der Unionsregierung die auf dem englischen Postschiffe “Trent“ 
in Havanna eingeschifften Agenten der Südstaaten Mason, Slidell, Custis und Mac-Farland 
festgenommen. Die Unionsregierung beharrte auf der Ansicht, daß die feindlichen Agenten 
der Kontrebande gleich zu achten seien; die schließlich erfolgte Freilassung wurde nur damit 
motiviert, daß die Unionsregierung kein Interesse an der Zurückhaltung der Agenten habe. 
2) Art. 18 bezeichnet die Handlungen, die nicht als „Handlungen zugunsten eines Krieg- 
führenden“ im Sinne des Art. 17 lit. b Abk. V anzuschen sind. 
3) In den Verhandlungen der HK 1907 ist die Frage der Aufrechthaltung des Verkehrs 
zwischen der Bevölkerung der kriegführenden und der neutralen Staaten erörtert worden. 
In der Schlußakte ist der Wunsch ausgesprochen, wonach im Kriegsfalle alle Behörden es sich
	        
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