Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

534 Achtes Buch. Die intern. Streitigkeiten u. deren Erledigung etc. 8 195. 
  
4. Zweck der Besichtigung und Durchsuchung kann auch die Wegnahme des 
an Bord des neutralen Schiffes etwa beförderten feindlichen Staats- 
eigentums!')sein. Die Visitation ist ausgeschlossen gegenüber neutralen Kriegs- 
schiffen. Neutrale Postdampfer sollen (nach Art. 2 Abk XI HK 1907) nur im 
Notfall unter möglichster Schonung und mit möglichter Beschleunigung durch- 
sucht werden. Bisherige Übung befreit auch Staatspostdampfer unter Führung 
eines Seeoffiziers vom Diensstande von der Durchsuchung. Die kontinentalen 
Staaten, die nordamerikanische Union (Naval War Code) und Japan pflegen 
auch gegenüber neutralen Kauffahrteischiffen unter Führung eines Kriegs- 
schiffes auf die Durchsuchung zu verzichten; allgemeine Anerkennung hat 
jedoch dieses Verhalten bisher nicht gefunden. In diesem Falle genügt es, 
wenn der Befehlshaber des Geleitsschiffes versichert 2), daß die unter seinen 
Schutz und seine Bedeckung gestellten Schiffe dem Lande angehören, dessen 
Flagge sie führen und daß sie keine Kontrebande an Bord führen. — Das 
Visitationsrecht wird nur während des Krieges von den Kriegsschiffen?) auf 
hoher See oder in dem nationalen Seegebiete der Kriegführenden ausgeübt. 
In Seegebieten, die dem Kriegsschauplatz fern liegen, dürfte das Durchsuchungs- 
recht nur in Fällen dringenden Verdachts einer Neutralitätsverletzung aus- 
zuüben sein !). 
Das Vorgehen des Kriegsschiffes gegenüber Handelsschiffen wurde schon oben (S. 513) 
in Zusammenhang mit den Rechten der Kriegführenden an feindlichem Privateigentum berührt. 
Nach der Praxis der meisten Staaten und neueren Verträgen erfolgt die Prüfung der Schiffs- 
papiere an Bord des neutralen Schiffes®). Ergibt sich dabei der Verdacht, daß die Papiere 
gefälscht sind oder unrichtige Angaben enthalten, oder daß das Schiff verbotene Waren, 
Depeschen oder feindliche Truppen an Bord hat, so wird zur Durchsuchung des Schiffes 
(recherche, search) geschritten; dabei sind gewisse Vorsichten zu beachten. Ergibt der Be- 
such des Schiffes, dio Prüfung der Papiere bezw. die Durchsuchung des Schiffes den Tat- 
bestand oder Verdacht einer Neutralitätsverletzung, so erfolgt die Aufbringung des Schiffes; 
das gleiche geschieht, wenn das Schiff durch sein Verhalten die Ausübung des Besuchungs- 
und Durchsuchungsrechts des Kriegsschiffes zu verhindern sucht, z. B. wenn es auf das ge- 
gebene Signal nicht beilegt oder sich der Anhaltung widersetzt u. s. w. — Aufgebrachte 
Schiffe und Ladungen sind von dem die Wegnahme bewirkenden Kriegsschiffe in den nächsten 
Hafen seines Staats oder eines Verbündeten zum Zwecke der Erwirkung eines prisengericht- 
lichen Urteils zu führen. Kann eine neutrale Prise aus irgend einem Grunde der prisen- 
gerichtlichen Behandlung nicht zugeführt werdeu, so ist (wie gegenüber feindlichen Privat- 
schiffen) von der Regel auszugehen, daß die Zerstörung nicht erfolgen darf. Streitig‘) ist 
  
1) Vgl. Geffcken, HH IV S. 780 (Anm. 1), wo mit Rücksicht auf die Seerechts- 
deklaration die Richtigkeit obigen Satzes bezüglich des Staatseigentums bezweifelt wird. 
2) Die Verträge (z. B. der Vertrag Preußens mit Salvador vom 13. Juni 1870 Art. XXI) 
fordern gewöhnlich Versicherung auf Ehrenwort. 
3) Von Kapern auf Grund spezieller Konvention oder Reglements. Der amerikanische 
Naval war Code Art. 30 hatte im kubanischen Krieg die Befugnis den Kriegsschiffen vor- 
behalten; anders Spanien, das auch Hilfskreuzer und Kaper ermächtigt hatte. 
4) Im südafrikanischen Kriege entsprach England dem Ersuchen Deutschlands, eg möchten 
deutsche Handelsschiffe außerhalb der Nähe des Kriegsschauplatzes (jedenfalls von Aden ab 
nach dem Norden) nicht durchsucht werden. 
5) Anders die Reglements einiger Mächte (Preußen, Dänemark, Österreich), nach denen 
der Kapitän des neutralen Schiffes an Bord des Kriegsschiffes kommen soll. 
6) Vgl. Holland, Prize Law $ 308; Derselbe, R. VII (2. S.) und Sep.-Abdr. 16, 17-
	        
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