536 Achtes Buch. Die intern. Streitigkeiten u. deren Erledigung cte. $ 196.
intern. R. den Gegenstand in Verhandlung genommen und gelangte dazu, die
herrschende Einrichtung der nationalen Prisengerichte mit den Forderungen
des internationalen Charakters der Materie zu kombinieren. 1) Trotz dieser
fast ängstlichen Behandlung des Gegenstandes hielt man den Vorschlag des
Instituts für unausführbar; umso überraschender war das Ergebnis der Ver-
handlungen der HK. 1907; hier hatten das deutsche Reich und England die
Initiative der Reform ergriffen, deren Ergebnis in dem Abkommen XII nieder-
gelegt ist. Es wurde zwar gleichfalls von der Kombinierung der nationalen
Prisengerichte mit den Forderungen der internationalen Momente dieser Ma-
terie ausgegangen, im Gegensatze zu dem Standpunkt des Instituts für intern.
Recht aber ein bedeutsamer Fortschritt dadurch geschaffen, daß die Prisen-
gerichtsbarkeit in letzter Instanz einem ständigen internationalen Gericht
(dem Prisenhof)2) anvertraut worden ist. Der Wert dieser bedeutsamen
Reform liegt aber zweifellos in materieller Beziehung darin, daß Art. 1 des
Abk. den allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz formuliert, dem zufolge die
Rechtmäßigkeit der Wegnahme eines Kauffarteischiffes oder seiner
Ladung ohne Unterschied ob es sich um neutrales oder feindliches Eigentum
handelt, vor einer Prisengerichtsbarkeit darzutun ist. Damit ist der Ge-
staltung des Verfahrens eine von dem bisher für die nationalen Prisen-
gerichte (auf Grund nationaler Vorschriften des Nehmestaates) geltenden Rechte
abweichende prinzipielle Grundlage gegeben. Das nationale Prisenverfahren
charakterisiert sich nämlich dadurch, daß es ein Reklameverfahren ist
dessen Eigenart liegt darin, daß von der Präsumtion der Legalität der Prise
ausgegangen wird, daher für die Verurteilung auch neutraler Schiffe der bloße
Verdacht genügt, wenn es dem Priseneigentümer nicht gelingt, den Verdacht
zu beseitigen. Haben die Eigentümer der Prise oder sonstige Interessenten
innerhalb vorgeschriebener Fristen durch Reklamation die Legalität der
Prise angefochten, so obliegt ihnen der Beweis der Illegalität der Prise.°)
Die prekäre Lage der Interessenten, die schon mit der eigenartigen Organi-
sation der nationalen Prisengerichte und der prinzipiellen Anlage des Prisen-
verfahrens gegeben ist, kommt auch bei der Entscheidung in tatsächlicher
und rechtlicher Beziehung zum Ausdruck; in tatsächlicher insofern, als die
Beweismittel nach dem für den Beweis maßgebenden Landesrecht des Nehme-
staats vieltach beschränkt sind, z. B. auf die bei der Wegnahme an Bord ge-
fundenen Schiffspapiere. In rechtlicher Beziehung ist das Landesrecht maß-
1) In den Verhandlungen vertrat v. Bulmerincq den von Hübner geltend gemachten,
seither von Trendelenburg und Geßner betonten Gesichtspunkt ausschließlich inter-
nationaler Gerichtsbarkeit; dagegen hatte Westlake eine internationale Gerichts-
barkeit nur für die zweite Instanz und nur für neutrale Schiffe vorgeschlagen.
Dieser Vorschlag wurde den Beschlüssen zu Grunde gelegt. Vgl. Annuaire IX, 188 sq. und
die p. 189 alleg. Stellen der früheren Jahrgg. des Ann. und der Revuc de dr. intern.
2) Nach den Beschlüssen des Instituts f. intern. R. sollte zu Beginn eines jeden Krieges
jede der Kriegsparteien ein internationales Berufungsgericht für Seeprisen bilden.
3) Der Einspruch richtet sich z. B. gegen die Annahme, daß die beanstandete Ladung
Kontrebande sei. oder daß das Schiff sich eines Blokadebruchs schuldig gemacht oder sich
der Anhaltung widersetzt habe.