Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

8 10. Geltungsgebiet des Völkerrechts. b3 
  
durch Verträge geschaffenen Rechtssätzen hervor (s. oben S. 47). Den 
völkerrechtlichen Gewohnheiten gegenüber ist an dem Recht der Gerichte, 
die Existenz derselben zu prüfen, festzuhalten, wobei der Inhalt betreffiender 
Landesgesetze unter Umständen eine wertvolle Erkenntnisquelle bieten 
wird. !) 
IL Gerichtliche Entscheidungen, die auf der Anwendung von 
Völkerrechtssätzen beruhen, sind auch als Erkenntnismittel von Völkerrechts- 
sätzen zu verwerten?). Die materielle Autorität, die den Entscheidungen 
namentlich solcher Gerichte innewohnt, die eine reiche Praxis und alte 
Tradition (z. B. in Prisensachen) aufweisen, darf bei dem Nachweis der 
praktischen Geltung von Völkerrechtssätzen nicht übersehen werden — 
namentlich dann nicht, wenn die Entscheidung Ansprüche des Staates, in 
dessen Namen das Gericht judiziert, nicht anerkannt hat?). 
$ 10. Geltungsgebiet des Völkerrechts.*) I. Auf dem Boden der 
hier vertretenen Auffassung des Völkerrechts als positiven Bechts kann die 
Frage des Umfangs der Geltung des Völkerrechts nur mit Rücksicht auf das von 
den Verkehr pflegenden Staaten geschaffene und in seinen Verkehrsbeziehungen 
praktisch anerkannte Recht aufgeworfen werden. Die Anhänger der älteren 
dualistischen Auffassung beantworten die Frage in verschiedenem Sinn, ein- 
mal bezüglich des sogen. natürlichen oder rationellen Völkerrechts, dem sie 
allgemeine, die ganze Menschheit umfassende Geltung vindizieren und dann 
bezüglich des positiven Völkerrechts. Es wird ferner noch neuestens5) dem 
eigentlichen (positiven) Völkerrecht ein gemeinsames Recht der Menschheit 
gegenübergestellt — eine Anschauung, die auf wesentlich naturrechtlicher 
Grundlage ruht. 
Dem Völkerrecht liegt allerdings die Idee eines die Gesamtheit der 
staatlich organisierten Völker des Erdballes umfassenden Rechts zugrunde. 
Allein die Verwirklichung dieser Idee vollzog sich ursprünglich mit innerer 
Notwendigkeit nur im Bereich jener Staaten und Völker, in deren geistigem 
und politischem Leben die Idee eines über die Grenzen des nationalen Rechts 
hinausgreifenden, verschiedene Einzelstaaten verpflichtenden Rechts hervor- 
getreten ist. Und dies war im Hinblick auf die ethischen Grundlagen alles 
  
1) Vgl. im ganzen neuestens Oppenheim I 88 21 sa. 
2) So ist z. B. das Schiedsgericht in der Behringsmeer - Affäre bezüglich der Aus- 
dehnung des Territorialmeers von der Drei - Meilen - Grenze ausgegangen. Siehe die Nit- 
teilungen des französischen und des schwedisch-norwegischen Bevollmächtigten (de Courcel 
und Gram) an die mit der Frage des Territorialmeeres befaßte Kommission des Instituts für 
internationales Recht im Annuaire de l’Institut du dr. int. XIII p. 252, 283. 
3: So macht Perels, Intern. öff. Seerecht 2. Aufl. $S. 9 auf die Bedeutung der geistvollen 
Ausspräche Sir William Scott’s und des amerikanischen Prisenrichters Story aufmerksam, 
warnt aber zugleich vor der Überschätzung gerichtlicher Entscheidungen. Siehe auch Bul- 
merincq, Commission des prises maritimes (1860) p. 214, 215. 
4) Heffter-Geffcken, 8. 7; v. Martens, 1,8. 41; Holtzendorff HH I], 13 ff.; 
Gareis, $ 10; v. Lißt, $1; Nys, I, p. 116 sq.; Rivier, Prineipes I, $ 1; Bonfils, Xr. 
40 8q.; Westlake I, 40 sy.; Oppenheim, I, & 26 2q. 
5) Pillet RG I, 13 sq.
	        
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