56 Erstes Buch. Allgemeine Lehren. g 11.
in internationalen Angelegenheiten seit dem Kriege mit China 1895, ganz be-
sonders aber seit dem Kriege mit Rußland diesem Staate die Stellung einer
neuen Großmacht sichert. Schon im Laufe der Neunzigerjahre des vorigen
Jahrhunderts trat die gleichberechtigte Stellung Japans im Rechtsverkehr der
Mächte westlicher Zivilisation in der Revision der Verträge), ferner in der
Abschaffung der Konsulargerichtsbarkeit und dem Abschluß von Konsular-
verträgen ?2) hervor. Die Fortdauer der Wirksamkeit der alten Kapitulationen
war seit der Umgestaltung der Rechtspflegeinstitutionen Japans im Sinne des euro-
päischen Rechts gegenstandslos geworden. Dagegen ist der Unterschied der
öffentlichen Einrichtungen in China, Korea, Persien und Abbessinien von
jenen der europäischen Staaten noch so groß, daß die Voraussetzung einer
gleichberechtigten Stellung dieser Staaten in der internationalen Gemeinschaft
noch ausgeschlossen ist; der rechtliche Verkehr mit diesen Staaten ist heute
noch auf einzelne Gebiete des internationalen Lebens beschränkt.
$ 11. Kodifikation des Völkerrechts.®) Die Geschichte des Rechts
der Kulturvölker führt zu der Erkenntnis, daß die Kodifikation einzelner
Rechtsgebiete nur auf den höheren Stufen der Entwicklung des Rechts mit
Aussicht auf Erreichung des Zwecks einer derartigen, einen reichen Rechtsstoff
einheitlich zusammenfassenden und zugleich weiterbildenden legislativen Aktion
vorgenommen werden kann. Trotz der Unvollkommenheit des Völkerrechts
und der augenfälligen Schwierigkeiten, die sich dem Versuche einer Kodifi-
kation entgegenstellen würden, ist die Frage der Kodifikation dieses Reclhıts-
teils verhältnismäßig früh aufgeworfen worden!) und tritt in neuester Zeit
Yorikadzu v. Matsudcira, Die völkerrechtlichen Verträge des Kaisertums Japan u. s. w.
(1890); Takahashi, Cases on international law during the Chino-Japonese war (1899);
Derselbe R XXXIIl, 138 saq.
1) Vgl. z. B. den deutsch-japanischen Handels- u. Schiffahrtsvertrag vom 4. April 1596
Rgbl. 715) bei Fleischmann 266.
2) Vgl. z. B. den deutsch-japanischen Konsularvertrag von 4. April 1896 (RGB. 732:.
3) v. Mohl, Enzyklop. d. Staatswissensch. $. 147ff.; Derselbe, Staatsrecht, Völker-
recht und Politik I 8. 432ff.; Lueder, Der neueste Kodifikationsversuch auf dem Gebiete
des Völkerrechts (1874); v. Holtzendorff, HH IS. 136ff.; Bergbohm, Staatseverträge
S. 44ff.; v. Bulmerincq, Praxis, Theorie und Kodifikation des Völkerrechts S. 165ff.;
F. v. Martens I S. 193ff.; Rivier, Lehrb. 8. 15 und Prineipes1 $ 2: Lasson, Prinzip und
Zukunft des Völkerrechts S. 93, 94; neuestens Nippold, Der völkerrechtliche Vertrag S. 273 ff.;
G. Rolin-Jaequemyns, R. VI p. 149 sq. mit Bezug auf Farnese, Proposta di un codice
di diritto internazionale (1873) I; v. Roszkowski R. XXI], 520: Oppenheim I, $$ 30 sq.;
Nippold, Die Fortbildung des Verf. usw. 480ff.; Mancini, Vocazione del nostro secolo per
la riforma e codificazione d. dir. delle Genti (1573); Despagnet, Cours p. 74sq.: NysI
136 sq.; Holland, Studies 78 sq.
4) So beschäftigte sich schon Jeremy Bentham mit dem Gedanken der Herstellung
eines Kudex des internationalen Rechts; Works (Edition Bowring) VIII p. 538 sq. Über
Bentham‘s Entwurf vgl. Nys in Law Quarterly Review 1855. — Der französische National-
konvent beschloß 1792 eine Declarativn du droit des gens (Entw. des Abbe Gregoire). Vgl.
dazu G. F. v. Martens, Einleitung in das positive eur. Völkerrecht (1796) im Vorbericht
(S. XIIIf£.) mit Bezug auf einige Artikel des Gregoire’schen Entwurfs. — Im übrigen siche
Näheres über Kodifikationsversuche bei Lasson, Prinzip und Zukunft des Völkerrcechts
S.170ff.; v. Bulmerineg, Praxis, Theorie und Kodifikation 8. Is0ff. — Mit Bezug auf ein