Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

$ 20. Einfache Staaten. Staatenverbindungen. 91 
  
Rechts- und Handelsfähigkeit gleichwohl nicht berühren.) Dies gilt unter 
letzterer Voraussetzung von dem Lehensverband,2) von der Tributpflicht. ?) 
Auch internationale Dienstbarkeiten und internationale Verpflichtungen sind 
mit der Souveränetät vereinbar. *) 
$ 20. Einfache Staaten, Staatenverbindungen. I. Die normale Form, 
in der Staaten als Subjekte des Völkerrechts an dem Staatenverkehr teil- 
nehmen, ist die des Einheitsstaates. In dieser Form vollzieht sich regel- 
mäßig die ursprüngliche staatliche Organisation des Volks; in ihr kommen die 
wesentlichen Grundlagen der staatlichen Gemeinschaft: ein einheitliches Gebiet, 
ein einheitliches Volk und eine beide gleichmäßig umfassende Staatsgewalt zu 
ihrer vollkommensten Entfaltung in der souveränen Betätigung des Gemein- 
willens im inneren und äußeren Staatsleben; der Einheitsstaat ist die voll- 
kommenste Form der Realisierung der Staatsidee in der Geschichte. 
II. Die historische Gestaltung der meisten Einheitsstaaten vollzog sich 
vielfach durch die allmähliche staatsrechtliche Vereinigung ursprünglich selb- 
ständiger staatlicher Gemeinwesen — ein Prozeß, dem völkerrechtliche Vor- 
gänge zu Grunde lagen und der teils durch politische und nationale Motive 
der beteiligten Völker oder Bestandteile eines größeren Volkes, teils durch 
das politische Übergewicht und die Machtmittel eines der beteiligten Gemein- 
wesen seine Förderung und seinen Abschluß fand. Die Zwischenstadien, die 
vielfach eine bestimmte publizistische Form der Staatenverbindung (im Gegen- 
satze zum Einbheitsstaate) darstellen, erscheinen dann vom historisch-politischen 
Gesichtspunkte als UÜbergangsphasen mit der vorwiegenden Tendenz nach de- 
finitiver staatsrechtlicher Einigung im Einheitsstaat oder mit der Tendenz der 
Glieder nach Wiedererlangung der ursprünglichen Selbständigkeit: Im Hin- 
blick auf den Entstehungsprozeß erscheinen manche Einheitsstaaten als die 
staatsrechtliche Vereinigung von Gliedern, die ursprünglich selbständige Ein- 
heitsstaaten waren oder in einem bestimmten publizistischen Verhältnisse zu 
einander standen; trotz der Inkorporation:) und dem damit gegebenen Ver- 
luste der eigenen staatlichen Eigenschaft kann diesen Bestandteilen des Ein- 
heitsstaats eine ausgedehnte Autonomie, eine Reihe von Vorrechten und Frei- 
heiten zustehen; es wird diesen Bestandteilen ungeachtet ihrer Stellung als 
Provinzen auch wohl ihr alter Name und historischer Titel belassen.e) Auch 
  
1) Vgl. Hänel, I, 118; G. Meyer, 18; Rehm, Allg. Staatslehre 60; Jellinek, Allg. 
Staatslehre, 436. 
2) Beispiel: Die Stellung des ehemaligen Königreiches beider Sizilien gegenüber dem 
heiligen Stuhle. 
3) Die ehemalige Tributpflicht Englands, Frankreichs, Spaniens, Österreichs, Hollands, 
Dänemarks, Schwedens gegenüber den Barbareskenstaaten. 
4) Über die Grenzen der Entäußerung von Hoheitsrechten im allgemeinen siche Jellinek, 
Staatenverbindungen S 53ff ; 101 bezüglich der Staatenverträge. 
5) So ist z. B. Schottland 1707, Irland 1800 dem englischen Staate inkorporiert 
worden. Über die Inkorporierung von Finnland und Polen in Rußland siche Jellinck, 
Die Lehre von den Staatenverbindungen S. 70ff. 
6) Beispiel: Die Stellung der im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder, welche 
einen Einheitsstaat bilden mit einem rechtlich einheitlichen Träger der Souveränetät.
	        
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