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taten so, als wenn sie das nicht sähen. Sie sprachen wieder
nur von „erhöhter Kriegsbereitschaft“, und dafür wollten sie
wieder auf ein Jahr Geld bewilligen. König Wilhelm dachte:
„In der Ordnung ist das zwar eigentlich nicht, aber mir kann
es schließlich recht sein, wenn sie es nur jedes Jahr wieder
bewilligen, damit die Armee weiter bestehen kann.“ Aber
nächstes Jahr, also 1862, da kam es anders, da bewilligten
sie auf einmal nichts mehr, da sagten sie: „Die erhöhte Kriegs-
bereitschaft ist jetzt nicht mehr nötig; jetzt soll für das Heer nicht
mehr ausgegeben werden, als früher jährlich ausgegeben ist“.
Also hätte der König die Offiziere und Soldaten der neuen
Regimenter entlassen und die Fahnen in die Rumpelkammer
stellen müssen, und bei jedem neuen Kriege wäre alles wieder
ebenso schlimm geworden, wie es früher gewesen war; die
Landwehrleute hätten wieder gleich zu Anfang eingezogen
werden müssen, und schließlich wären doch nicht genug ausge-
bildete Soldaten dagewesen, um den Feind zu besiegen. Dann
hätte sich Preußen wieder vor den Feinden fürchten müssen.
„Aber wollt ihr denn wirklich, daß Preußen wehrlos
wird?" fragte König Wilhelm die Abgeordneten. „Nein, das
wollen wir nicht“, sagten die, „aber wenn wir der Regierung
Geld für die neuen Regimenter bewilligen, dann muß die
Regierung erst uns einen Gefallen tun; dann muß sie in
einer Sache tun, was wir wollen. Wir wollen nämlich, daß
die Soldaten nicht mehr drei Jahre bei der Fahne dienen,
wie bisher, sondern nur zwei Jahre; wir wollen die zweijährige
Dienstzeit. Wenn die Regierung damit einverstanden ist, dann
bewilligen wir die Kosten der Heeresreform, sonst nicht.“
„Aber das geht doch nicht an,“ sagte der König, „alle
meine Offiziere sagen mir, daß sie in zwei Jahren den Sol-
daten jetzt noch nicht genug beibringen können; das mag
später einmal angehn, vielleicht nach dreißig Jahren, wenn
die Rekruten klüger sind, als jetzt; jetzt aber geht es auf