Full text: Fürst Bismarcks Lebenswerk.

— 40 — 
Der preußische Verfassungskonflikt. 
Konflikt heißt eigentlich Zusammenschlagen oder Kampf. 
Verfassungskonflikt ist also ein Kampf um die Verfassung. 
Der preußische Verfassungskonflikt hat von 1862 bis 1866 
gedauert; aber es ist nicht leicht zu erfahren, wie es dabei 
hergegangen ist. Wenn Kinder einmal eine recht große Dumm- 
heit machen und hinterher einsehen, daß es eine recht große 
Dummheit war, dann sind sie später sehr schweigsam darüber. 
Wenn man sie fragt, dann wissen sie nicht mehr recht, wie die 
Geschichte war; schließlich erzählen sie sie wohl, aber niemals 
ganz so, wie sie war; denn Niemand mag sich gern auslachen 
lassen; und ungefragt erzählen sie schon gar nichts darüber. 
Wenn große Leute einmal eine Dummheit machen, was doch 
auch vorkommt, dann sind sie ebenso schweigsam darüber; und 
wenn sie was erzählen, dann erzählen sie es gern ein bißchen 
anders, als es war, damit man sie wenigstens nicht gar so 
sehr auslacht. 
Im Verfassungskonflikt standen nun die meisten gelehrten 
Leute, die die schönen Bücher und auch die Zeitungen schreiben, 
gegen den König, gegen die Regierung, gegen Bismarck. Sie 
sagten, Bismarck hätte die Verfassung gebrochen, d. h. er hätte 
erst geschworen, er wollte sich immer nach der Verfassung richten, 
und dann hätte er sich doch nicht danach gerichtet: er hätte also 
seinen Eid gebrochen; von ihm und den anderen Ministern 
wurde gesagt: „Dieses Ministerium trägt das Kainszeichen des 
Eidbruches an seiner Stirn.“ Aber sie sagten nicht nur das, 
sondern sie prophezeiten auch; sie prophezeiten, daß Bismarck 
Preußen und Deutschland zu Grunde richten würde. Und 
wenn man so etwas prophezeit hat, und es ist dann nicht 
eingetroffen, dann denkt man nicht gern an die Prophezeiung 
zurück. Darum erzählen die Leute, die Bücher schreiben, über- 
haupt nicht gern von dem Verfassungskonflikt; wenn sie aber
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.