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da darfst Du nun nicht jedes Wort gleich auf die Goldwage
legen. Nein, Du bist gewählt, nicht wir, darum mußt Du
überlegen, wenn wir schimpfen.“ Und das ist merkwürdig;
das geht schon den Kindern so und geht den großen Leuten
auch so: wenn sie alle durcheinander geredet und geschimpft
haben, und die Sache ist dann schlecht abgelaufen, dann will
keiner den Rat gegeben haben, der schließlich befolgt worden
ist und zum Schlimmen geführt hat. Dann will jeder etwas
viel Besseres geraten haben; genug, jeder sagt, er ist nicht
schuld, sondern die anderen. Von den anderen sagt aber
wieder jeder, er ist nicht schuld, sondern die andern, so daß
schließlich niemand übrig bleibt, der schuld ist.
So geht das immer, wenn man nicht weiß, wer die
Verantwortung hat. Und Völker, die sich ihren Landesherrn
selber wählen, machen das mit ihrem Landesherrn ebenso. So
ist es in Frankreich Napoleon III. gegangen. Auf den wurde
erst so lange geschimpft, bis er bange wurde, daß man ihn
wegjagen würde, wenn er nicht mit den Deutschen Krieg an-
finge; und als er nun aus Angst vor seinem Volke den Krieg
angefangen hatte und besiegt worden war, da schrieen sie
wieder alle, er wäre ganz allein schuld an dem Kriege; und
er allein hätte ihn angefangen. Und als dann einige Leute
ganz schüchtern darauf aufmerksam machten, daß doch wohl
noch andere Leute zum Kriege geraten hätten, da war alles
furchtbar entrüstet; das wäre nicht wahr, Napoleon wäre
ganz allein schuld. Und die für ihn sprechen wollten, mußten
schweigen, wenn sie nicht geprügelt sein wollten.
Die Menschen sind nun einmal so, daß niemand gern
selber schuld sein will, wenn etwas Schlimmes passiert ist; daß
jeder gern den andern beschuldigt. Eben darum muß in der
Politik, also bei allem, was dem ganzen Lande nützen soll,
immer vorher festgestellt werden, wer für eine bestimmte
Handlung die Verantwortung übernehmen soll; und der muß