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Recht ist mehr wert, als das Glück; du hast Glück gehabt,
aber nicht Recht, sondern Unrecht; und wer Unrecht tut, muß
bestraft werden, einerlei, ob er Glück hat oder nicht.“
So dachten die Leute wirklich, die da ehrlich meinten,
daß Bismarck Unrecht gehabt hätte. Aber die meisten Leute
wußten wohl, daß er nicht Unrecht gehabt hatte; daß sie
nicht für die Rechte des Volkes gekämpft hatten, wie sie immer
sagten, sondern daß er wirklich nur das Abgeordnetenhaus
gehindert hatte, „der Krone Preußen ihre verfassungsmäßigen
Rechte abzufordern, um sie dem Abgeordnetenhause zu Füßen
zu legen.“ Sie sahen ein, daß nun, wo das ganze Volk
gesehn hatte, wie blind die Abgeordneten gewesen waren, wie
falsch sie prophezeit hatten, wie sie grade das alles nicht
gewollt hatten, was für Preußen und Deutschland gut ge-
wesen — war daß nun das Volk ganz gewiß keine Republik
und keine parlamentarische Regierung leiden würde. Da
wollten sie es denn lieber doch nicht mit Bismarck und dem
Könige verderben, und da sagten sie denn auf einmal: „Die
Indemnität bewilligen wir gern, denn jetzt haben wir Ver-
trauen zu Bismarck."
Wenn jetzt also wieder einmal kein Budgetgesetz zustande
kommt, dann weiß die Regierung, was sie zu tun hat: dann
regiert sie ohne Budget auf eigene Verantwortung; die Zu-
stimmung des Abgeordnetenhauses kann später gegeben werden;
dann heißt sie „Indemnität.“
Nun wißt ihr, wie es hergegangen ist im preußischen
Verfassungskonflikt. Und wenn euch wieder einmal jemand
weis machen will: „Da hat der Bismarck die Verfassung
gebrochen; aber weil die tapferen Soldaten dann gesiegt hatten,
da hat man ihm denn noch einmal verziehn, sonst hätte er
eigentlich ins Zuchthaus gemußt;“ dann sagt ihr: „Nein, so
war es gar nicht. Sondern die Abgeordneten haben viermal
hintereinander gesagt: „Preußen braucht kein großes Heer,