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Und eine ganz schöne Verfassung hatten sie auch dazu; nur
leider das Reich, für das die Verfassung sein sollte, das wollte
nicht fertig werden. Bismarck aber machte erst das Reich
fertig und dann die Verfassung. Und da sagten die Müller
und die Schulze zu ihm: „Deine Verfassung ist aber lange
nicht so schön, wie unsere von 1849 war.“ Bismarck aber
sagte: „Zu meiner Verfassung habe ich aber den Ländern und
dem Reiche Maß genommen, und nun paßt sie ihnen auf den
Leib wie angegossen. Ihr habt eure Verfassung nach der Schön-
heit geschneidert und habt gedacht, das Reich müßte da hinein-
wachsen. Aber es wuchs keins hinein.“
So gab es noch einigen Streit über die Verfassung;
aber einen Konflikt gab es nicht mehr, denn schließlich wurde
man sich einig. Und die Hauptsache war doch da, was alle
Deutschen gewollt hatten: daß ein Reichstag aus ganz Deutsch-
land gewählt wurde, der mit den Regierungen zusammen die
Gesetze beriet, und daß alle Soldaten vom König von Preußen
geführt wurden.
Was das bedeutete, das sollte sich bald zeigen. Ganz
Frankreich war wütend darüber, daß Deutschland auf einmal
einig war. Bisher war Frankreich das mächtigste Reich in
Europa, also auch auf der ganzen Erde gewesen; um den
deutschen Bund hatte sich nie jemand bekümmert; denn ehe
der sich entschloß, ob er etwas tun wolle oder nicht, da war
längst die Gelegenheit, etwas zu tun, vorüber. Und nun stand
da auf einmal, wo früher der wackelige deutsche Bund ge-
standen hatte, ein ganz neues, festgemauertes Gebäude, das
sich zunächst nur „Norddeutscher Bund“ nannte, aber das
ganz danach aussah, als ob es sich auch noch ein Stückchen
Süddeutschland anbauen wollte, und das gar nicht danach
aussah, als ob sich seine Einwohner irgend etwas gefallen
lassen würden. Und dann war noch etwas ganz Schlimmes
dabei. Bisher hatte alle Welt immer nur von dem berühmten